Page 2 - Badener Woche - KW 52 - 2020
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SEITE 2 WEITERBILDUNG DIENSTAG, 22. DEZEMBER 2020
Der Blick in die Kristallkugel
Die Weiterbildungsbranche musste 2020 auf einen Paradigmenwechsel reagieren – mit Folgen für 2021
Was bringt die Zukunft in der Tempo und Strategie der Know-
Weiterbildungsbranche? Sechs how-Aneignung soll jede Person
Thesen, beziehungsweise Be- selber steuern können. Die Er-
hauptungen auf dem Prüf- fahrungen im Rahmen der Co-
stand. rona-Krise zeigen: Dies ist mög-
lich. Individualisiertes Lernen
Eines der Phänomene 2020 war wird die Zukunft prägen, in der
der Durchbruch der Wissens- Schweiz zuerst in der berufs-
vermittlung mittels virtuellem orientierten Weiterbildung, wo
Unterricht. Kaum ein Weiterbil- keine oder wenige Regulationen
dungsanbieter kann es sich heute bestehen. Etwas länger dauern
noch leisten, nicht fit zu sein im wird es auf Sekundarstufe 2 und
Bereich Online-Learning oder im Tertiärbereich, wo Gesetzes-
-Coaching. Aber ein Ausdruck vorgaben, Bildungsverordnun-
macht nun nach bald einem Jahr gen, Rahmenlehrpläne und Bil-
Online- und Home-Schooling die dungsreglemente bestehen. Die
Runde: «Zoom Fatigue». Damit Anzahl standardisierter Bil-
bezeichnet man die Motivations- dungsangebote im Klassenver-
problematik und den Überdruss band ohne grössere individuali-
den gesamten Wissenstransfer, sierte Anteile wird immer mehr
alle Besprechungen, Meetings Bild: PEXELS zurückgehen.»
und Interaktionen über Zoom, die Büchse der Pandora geöff- tiger als andere drängende He- die Anbieter Umsatzeinbussen
Teams, Skype und andere Video- net. Die Erfahrungen mit vir- rausforderungen. So ist für 59 von durchschnittlich knapp 30 Behauptung 6: Die Bildungs-
konferenzsysteme laufen zu las- tuellem Unterricht und Online- Prozent der fehlende Einsatz di- Prozent erwarten. Und da sind schere öffnet sich
sen. Präsenzunterricht und der Coaching wird ganz neue Ge- gitaler Medien das dringlichste die erneuten Corona-bedingten «Wie in allen Branchen, wo die
direkte Kontakt mit den Mitmen- schäftsmodelle zu Tage fördern. Problem an ihrer Schule. Auch Einschränkungen noch nicht Digitalisierung Einzug hält, er-
schen fehlt vielen. Corona erweist sich als Kataly- eine schlechte technische Aus- berücksichtigt. Die Hilfe von geben sich daraus Chancen
Tatsache ist – der Paradigmen- sator für die Digitalisierung und stattung wird von 56 Prozent Bund und Kantonen wird nicht aber auch Gefahren. Während
wechsel im Umgang mit mo- Virtualisierung der Bildung. beklagt.»
dernen Online-Hilfsmitteln hat Virtueller und hybrider Unter-
bei allen Beteiligten zwangsläu- richt und Online-Coaching wer- Behauptung 2: Neue Angebote
fig eine Steigerung der Anwen- den auch nach der Pandemie- entstehen
der- und Umsetzungskompetenz zeit ein Trend bleiben.» Auch «Corona zwingt die Anbieter fle-
verursacht. So kann behauptet in den Schulen. In Deutschland xibel und innovativ zu denken
werden, dass 2020 bei den Stu- hat der Digitalverband Bitkom und zu handeln. Neue Ange-
dierenden und Seminarteilneh- eine repräsentative Umfrage bei bote rund um die Digitalisierung
menden die Büchse der Pandora 500 Schülern durchgeführt zum sind bereits am Entstehen. Klas-
geöffnet wurde: Der Wunsch Thema vernetzte Schulen, vir- sische Angebote werden durch
nach durchgehendem Online- tuelle Klassenzimmer und ad- neue krisenresistentere Inhalte
Coaching und -Unterricht. Dies aptives Lernen: Die Digitalisie- und Angebotsformen ersetzt.»
könnte für eine «Disruption» mit rung kann – so wurde deutlich –
komplettem Umdenken in den den Unterricht verbessern, den Behauptung 3: Anbieter wer-
Weiterbildungsinstituten sor- Lernerfolg steigern und die be- den verschwinden
gen. Über diese These und wei- grenzten Lehrkapazitäten effi- «In der Weiterbildungsbranche
tere Behauptungen haben wir zienter einsetzen. Demnach se- wird ein Anbietersterben statt-
mit Lernwerkstatt Olten CEO hen 83 Prozent in der Digita- finden. Wie dramatisch sich Bild: zVg
Daniel Herzog gesprochen und lisierung eine Chance für die dies offenbart, ist noch offen. Je Lernwerkstatt Olten CEO Daniel Herzog blickt in die nahe Zukunft der Weiter-
sie mit Fakten und seinen Erfah- Schulen und Bildungsanbieter. länger die Corona-Krise andau- bildungsbranche.
rungswerten abgeglichen. Lediglich jede/r Achte betrach- ert, desto mehr Schulen der Er-
tet sie als ein Risiko. Investi- wachsenenbildung werden vom reichen den Konkurs von pri- auf der einen Seite viele Men-
Behauptung 1: Digitalisierung tionen in digitale Technologien Markt verschwinden. Die An- vaten Bildungsanbietern abzu- schen vom vereinfachten und
schreitet rasant voran und deren Anwendung haben bieterbefragung des Schweize- wenden.» individualisierten Bildungszu-
«2020 wurde bei den Seminar- oberste Priorität – und sind ge- rischen Verbandes für Weiter- gang profitieren, wird auf der
teilnehmenden und Anbietern mäss Umfrage sogar noch wich- bildung SVEB zeigt auf, dass Behauptung 4: Das Comeback anderen Seite die Bildungsabs-
der Live Performer tinenz erhöht. Nicht alle Men-
«Aktuell bereitet sich in vielen schen sind Technologie-affin
Branchen eine «Zoom-Fatigue und wollen sich auf die neuen
aus. Der physische Austausch Settings einlassen. Sie werden
in Meetings, am Arbeitsplatz, zu Bildungsflüchtlingen, wel-
sowie im Präsenzunterricht che die immer weniger werden-
wird vermisst. Vorübergehend den, reinen Präsenzveranstal-
schlägt nach Corona wieder tungen besuchen. Oder sie ver-
die Zeit der «Live-Performer» abschieden sich ganz aus der
unter den Dozierenden. Bald Weiterbildung.»
wird man sich aber auch wie- JoW
der an die Vorzüge des virtu-
ellen Unterrichts zurück erin-
nern. Hybrider Unterricht – also
die wahlweise Teilnahme im Se- Die Zukunft ist hybrid
minarraum oder via Videokon- Hybrider Unterricht kombi-
ferenzsystem, hat hier durchaus niert die Vorteile des Prä-
eine grosse Zukunft vor sich.» senzunterrichts und des
Distance Learnings. Teil-
Behauptung 5: Lernen wird nehmende sind ganz nach
weiter individualisiert ihren Bedürfnissen live im
«Vor allem die betriebliche Aus- Seminarraum dabei, oder
und Weiterbildung fordert schon Sie beteiligen sich aktiv
seit Jahren die Individualisie- via Videokonferenzsystem
rung der Bildungsangebote. Bil- am Unterricht. Es ist da-
dungsanbieter arbeiten an Set- von auszugehen, dass sich
tings, die ein zeit- und ortsunab- diese Unterrichtsform in
hängiges Lernen ermöglichen. Zukunft durchsetzen wird.
Lernangebote sollen dann zur
Verfügung stehen, wenn neue www.lwo.ch/hybrid
Kompetenzen benötigt werden.