Page 9 - Brugger Woche - KW 22 - 2021
P. 9

DIENSTAG, 1. JUNI 2021                                                                                                                                       SEITE 9





                               «Mehrkosten von 4000 Franken fürs Essen»




          Am 13. Juni kommen mit der Trinkwasser- und Pestizidfrei-                                                                            Landwirtschaft sehr wichtig. Sie
          Initiative zwei extreme Agrarvorlagen zur Abstimmung. San-                                                                           bestäuben viele Kulturen. Unter-
          dra Helfenstein, Stv. Leiterin Departement Kommunikation                                                                             dessen scheiden die Bauernfa-
          und Services beim Schweizer Bauernverband, zeigt die nega-                                                                           milien 190'000 ha Fläche aus,
          tiven Folgen auf: Weniger heimische Produkte, mehr Importe,                                                                          um Lebensraum für Wildtiere
          teurere Lebensmittelpreise, mehr Foodwaste sowie der Verlust                                                                         und -pflanzen zu schaffen. Das
          von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung.                                                                                                ist dreieinhalb Mal die Fläche
                                                                                                                                               des Bodensees.
          Am 13. Juni stimmen wir über  schon viel in diesem Bereich.
          die Trinkwasser- und Pestizid-   Ganz abgesehen davon, dass die                                                                      Sie  bezeichnen  die  Trinkwas-
          freie-Initiative ab. Der Schwei-  einheimischen Bauernfamilien                                                                       serinitiative als Trojanisches
          zer Bauernverband wehrt sich  bereits seit Jahren aktiv an Ver-                                                                      Pferd. Wie denn das?
          vehement  dagegen.  Was sind  besserungen arbeiten. So set-                                                                          Ja, die Trinkwasserinitiative ist
          Ihre Hauptargumente?             zen sie heute mehr als 40 Pro-                                                                      eine Mogelpackung. Es geht bei
          Sandra Helfenstein: Die beiden  zent weniger chemische Pflan-                                                                        ihr nicht ums Wasser, sondern
          Initiativen sind sehr extrem. Sie  zenschutzmittel ein, als noch                                                                     um die Direktzahlungen. Die
          stellen Forderungen, welche die  vor zehn Jahren. Die Hälfte al-                                                                     Anforderungen, um diese wei-
          regionale Lebensmittelproduk-    ler verwendeten Mittel sind sol-                                                             Bild: zVg  ter zu erhalten sind so unrea-
          tion gefährden, Importe fördern  che, die auch im Biolandbau zu-  Die Bauernfamilien fürchten von billigen Importprodukten verdrängt zu wer-  listisch gestellt, dass viele Be-
          und die Preise fürs Essen in die  gelassen sind.                  den. Entsprechend gross ist ihr Engagement.                        triebe darauf verzichten wer-
          Höhe treiben würden. Entspre-                                                                                                        den. Dann müssen sie auch den
          chend wären auch zahlreiche  Sie argumentieren auch die  Ausland einkaufen. Der Ein-                zu all den Schlagzeilen kam. Die  ökologischen Leistungsnach-
          Arbeitsplätze in der Land- und  Pestizidfreie-Initiative bringt  kaufstourismus würde also mas-     Kantonschemiker geben aber  weis nicht mehr einhalten. Das
          Ernährungswirtschaft betroffen.  weiter Probleme mit sich. Er-    siv angekurbelt.                  schon lange Entwarnung. Es be-   wäre dann für das Trinkwasser
                                           klären Sie das!                                                    steht keine Gefahr für die Ge-   und die Ökologie sogar kontra-
          Haben denn diese beiden Ag-      Die Pestizidfrei-Initiative trifft  Hand aufs Herz: Wie sauber  sundheit, unser Hahnenwasser  produktiv.
          rarinitiativen, die ja unsere Um-  nicht nur die Bauernfamilien,  sind denn unsere Böden und  kann man nach wie vor beden-
          welt und Gesundheit schützen  sondern auch stark die Konsu-       unser Trinkwasser wirklich,  kenlos trinken. Und sowieso:  Zum Abschluss kurz und bün-
          wollen, keinen Mehrwehrt für  menteninnen und Konsumen-           werden da nicht Grenzwerte  Niemand will belastetes Was-           dig: Wieso soll man am 13. Juni
          die Umwelt und Trinkwasser?      ten. Diese hätten im Laden  überschritten und zu viele Pes-        ser. Es ist unser aller Ziel, die-  zwei Mal Nein stimmen?
          Für einen besseren Schutz der  keine Auswahl mehr. Es gäbe  tizide eingesetzt?                      ses sauber zu halten!            Wer weiterhin nachhaltig pro-
          Umwelt und des Trinkwassers  nur noch Bio. Für eine vierköp-      Die Qualität des Trinkwassers                                      duzierte Lebensmittel aus der
          brauchen wir die beiden Initia-  fige Familie würden die Kosten  ist gleich gut wie immer. Was  Wie sehr berücksichtigen die  Region von guter Qualität und
          tiven nicht: Das Parlament hat  fürs Essen um rund 4000 Fran-     sich geändert hat, ist der Grenz-  Bauernfamilien den wichtigen  zu bezahlbaren Preisen möchte,
          dieses Frühjahr das europaweit  ken pro Jahr steigen. Wer sich  wert. Dieser wurde von den Be-      Faktor Biodiversität?            der stimmt am 13. Juni Nein.
          strengste Pestizidgesetz verab-  das nicht leisten kann oder will,  hörden  praktisch  über  Nacht  Die Biodiversität und speziell
          schiedet. Es geht also sowieso  der geht dann im umliegenden  massiv verschärft, weshalb es  auch die Insekten sind für die               Interview: Corinne Remund


                      Unternehmertum der nächsten Generation fördern




          Coworking Spaces sind voll im Trend – aber nicht als Ge-                                                                             Innovations- und Gründerzen-
          schäftsmodell, sondern als Kultur. Dabei steht der Commu-                                                                            trum Zofingen IGZ sowie die
          nity-Gedanke im Mittelpunkt: Gemeinsam Idee austauschen,                                                                             Wirtschaftsförderung Oftringen
          gemeinsam etwas bewegen, gemeinsam etwas unternehmen.                                                                                Zofingen an Bord zu holen.
          Nur wollen die Initianten und Mitinhaber der Effinger Cowor-
          king Space Bern nach demselben Prinzip eine «Filiale» in Zo-                                                                           Leben und Wertschöpfung
          fingen im Kanton Aargau lancieren.                                                                                                        in die Stadt bringen
                                                                                                                                               Coworking soll aber auch das lo-
          Coworking Spaces boomen zur-     Beratung Schweiz GmbH dop-                                                                          kale Gewerbe stärken. «Wenn
          zeit, nicht zuletzt auch wegen  pelt nach: «Es geht um Vernet-                                                                       wieder mehr Menschen lokal
          der Pandemie, die neue Arbeits-  zung und Integration. Denn Co-                                                                      arbeiten, konsumieren sie auch
          modelle vorantreiben. Wäh-       working ist nicht nur für klassi-                                                                   vor Ort», so Vögeli. Coworking
          rend das Coworking in den letz-  sche Start-ups  und Jungunter-                                                                      ist somit auch als Alternative
          ten Jahren vor allem in gros-    nehmen gedacht, sondern auch                                                                        zu Homeoffice und Pendeln ge-
          sen Städten als Businessmodell  offen für Kreative, Künstler und                                                                     dacht: «Es soll ein inspirieren-
          angesehen wurde und funktio-     andere Weltveränderer.» Als Mit-                                                                    des Umfeld sein, indem man
          nierte, bekommt es jetzt in de-  inhaber des Effinger Coworking                                                                      arbeitet, seine Träume verwirk-
          zentralen Gemeinden eine ganz  Space Bern hat Vögeli grosse Er-                                                                      licht und sich über den Teller-
          neue Bedeutung. «Coworking  fahrung mit der Community-                                                                               rand hinaus verbindet» sagt Vö-
          ist nicht nur einfach ein geteil-  Kultur. Der Community-basierte                                                            Bilder: CR  geli. Er ist überzeugt, dass so
          ter Arbeitsplatz und kein Ge-    Ansatz lebt er nun bei einem  Coworking Spaces werden beliebter: Hier im Effinger Coworking Space Bern.  das unternehmerische Umfeld
          schäftsmodell, sondern eine  neuen, innovativen Projekt mit-                                                                         der  Zukunft entsteht.  «So  rü-
          neue Arbeitsform und Zusam-      ten in seiner Heimatstadt Zofin-  Space. Einen ersten Versuchs-    senschaft. Gemeinsam werden  cken  wir  die  Verbindung  von
          menarbeitskultur», erklärt Urs  gen im Kanton Aargau weiter.  ballon starteten sie mitten im  die Räume auf drei Etagen re-          Familie, Nachbarschaft, Freizeit
          Vögeli und der Politikwissen-    Zusammen  mit  dem  Zofinger  Gastro-Lockdown. Dabei nutz-         noviert, ausgebaut und gestal-   und Arbeit ins Zentrum. Kin-
          schaftler und Geschäftsführer  Salsa Lehrer Miguel Lopes lan-     ten sie für mehrere Monate das  tet. Ab September 2021 startet  der und Familien sollen bei uns
          der Politikwissenschaftlichen  ciert er einen neuen Coworking  Restaurant Rathaus in Zofingen  das neue Coworking Zofingen  auch einen Platz haben.» Aus
                                                                            als temporären Arbeitsort – mit  mit seinem vielseitigen Ange-     Erfahrung weiss der Strategie-
                                                                            Erfolg. Der erste Grundstein für  bot «Coworking – Comove – Co-    berater, dass dies auch mit Wirt-
                                                                            das neue Projekt war gelegt.      creation» so richtig durch. Es  schaft und Business einhergeht.
                                                                                                              bietet flexible und fixe Arbeits-  Beweis dafür ist der Effinger Co-
                                                                              Integrieren und vernetzen       plätze, diverse Sitzungszimmer,  working Space Bern, der sich
                                                                            Beim Aufbau des neuen Co-         aber auch Räume für Tanz, Be-    gerade jetzt dank gutem Netz-
                                                                            working Space steht die Com-      wegung und Gesundheit, sowie  werk und dem Gemeinschafts-
                                                                            munity im Mittelpunkt: «Wir  Kinderbetreuung. «Wir möch-           gedanke als äusserst krisenfest
                                                                            schauen zunächst, welches die  ten Unternehmertum, soziale  zeigt. «Die Integration von vie-
                                                                            Bedürfnisse und die Träume der  Innovation  und  interdiszipli-    len Branchen und Lebensberei-
                                                                            Leute sind und definieren erst  näre Netzwerke vereinen. Wir  chen schafft die dringend nötige
                                                                            danach gemeinsam das Ange-        schaffen keine Konkurrenz,  Innovation und Perspektiven,
                                                                            bot und die Infrastruktur.» Den-  sondern Kollaboration», betont  die wir gerade jetzt so sehr brau-
                                                                            ken in Ökosystemen, nennt Vö-     Vögeli. Nach dem Motto «Wir  chen, um die aktuelle Krise, die
                                                                            geli das. Das neue Coworking  integrieren, was schon vorhan-       Globalisierung und den digitalen
         Neues Leben und Wertschöpfung: Hier in der Oberstadt von Zofingen im   Zofingen  –  mittlerweile  wurde  den ist und vernetzen, wo noch  Wandel zu meistern», ist Vögeli
         ehemaligen Haushaltswarengeschäft Ambiente entsteht der neue Cowor-  ein Verein gegründet – sieht  keine Verbindung besteht», ist  überzeugt.
         king Space Zofingen.                                               sich somit auch eher als Genos-   den Initianten gelungen, das                    Corinne Remund
   4   5   6   7   8   9   10   11   12   13   14