Page 4 - Rheinfelder Woche - KW 42 - 2021
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                                       Keine Klischees, sondern Authentizität




         BRAUCHTUM – Roger Dörig stellt in seinem «Büdeli» in Appen-                                         cher Bier und dem Appenzeller  nach wie vor goldenen Boden
         zell Hosenträger, Hundehalsbänder, Schellenriemen und die                                           Whiskytrek sowie unserer un-      und wir benötigen gute Hand-
         weltbekannten Chueligurte her – alles in Handarbeit. Tauchen                                        vergleichbaren Musik, gehören  werker. Sie sind unter ande-
         Sie ein in die Welt des letzten Sennensattlers der Schweiz und                                      Traditionen zu unserem Alltag  rem das Rückgrat der Schweiz.
         erleben Sie die gelebten Traditionen hautnah.                                                       und werden von Jung und Alt  Wichtig ist mir auch, dass Tradi-
                                                                                                             täglich gelebt. Dies ergibt zahl-  tionen im Original beibehalten,
         Das nostalgische «Büdeli» von  namenten in Silber, Messing,                                         reiche Synergien und Aufträge  gepflegt und weitergeführt und
         Roger Dörig beim Schloss Ap-      Neusilber oder gar Gold seine                                     für das Sennenhandwerk.           nicht durch die Globalisierung
         penzell ist ein Blickfang sowohl  Freude zu haben», meint er.                                                                         verwässert werden.
         für Touristen als auch für Ein-   «Meine Arbeiten sollen in der                                     Wir leben in aussergewöhnli-
         heimische. «Es ist wohl die un-   Tradition verwurzelt bleiben,                                     chen Zeiten. Hat Bewährtes an          Interview: Corinne Remund
         modernste und gerade deshalb  aber ich möchte mit der alten                                         Wichtigkeit gewonnen?
         auch die heimeligste Werkstatt  Fertigungstechnik auch das                                          Absolut. Als  Einmannbetrieb
         im Appenzellerland», schreibt  Kreative, Moderne wagen – Sen-                                       nach dem Motto meines Gross-       Roger Dörig ist 1970 in Appen-
         der passionierte Sennensattler  nisches mit Design verbinden.»                                      vaters «Bleib klein und al-        zell geboren und als Sennen-
         auf seiner Homepage. «Alles ist                                                                     lein!...» haben ich aufgrund der   sattler eine Mischung aus Satt-
         wie früher, wie zu Zeiten meines  Wieso fühlen Sie sich in ihrem                                    Pandemie keine grossen Einbus-     ler und Goldschmied. Er hat
         Grossvaters Hans Fuchs. Schon  «Büdeli» so wohl?                                       Bild: Thomas Biasotto  sen erlitten – zumal meine Auf-  eine  KV-Lehre absolviert und
                                                                                                                                                war als Skirennfahrer interna-
         als Bub habe ich ihm oft zuge-    Roger  Dörig: Während in den  Sennensattler aus Leidenschaft:     träge eine längere Auslastung      tional unterwegs.  1994 trat er
         guckt und ein bisschen auspro-    70er-Jahren viele Bauten hier in  Reto Dörig                      garantieren. Ebenso bin ich ge-    in die Stapfen seines Gross-
         bieren dürfen, als Jüngling dann  Appenzell renoviert und moder-                                    rade jetzt mit meinem Online-      vaters und hat von ihm die über
         sein künstlerisches Handwerk er-  nisiert wurden, hat mein Gross-  len Sujets wie Sennen, Chueli,  Shop auf dem richtigen Weg.         125-jährige Werkstatt über-
         lernt. Es ist tief in der Appenzel-  vater sein «Büdeli» nostalgisch  sondern auch immer wieder  Die Kundinnen und Kunden le-          nommen. Er betreibt diese in
         ler Brauchtumstradition verwur-   gelassen. So ist es ein Blickfang  neue, moderne Ornamente –  gen vermehrt grossen Wert da-          vierter Generation und erhält
         zelt», erzählt er. So pflegt er das  geblieben und wie eine Stube  das macht grossen Spass. Mein  rauf, zu wissen, wer und was         damit das Appenzeller Brauch-
         Althergebrachte sorgfältig weiter  eingerichtet, wo Werkstatt mit  Hobby ist mein Beruf und ich  hinter einem Produkt steht. Sie       tum  am  Leben:  Hosenträger,
         und es entstehen prachtvolle Ho-  diversen Arbeitsplätz und Ver-   gehe sicher nicht mit 65 Jahren  möchten keine Klischees, son-      Hundehalsbänder, Schellenrie-
         senträger, kunstvoll geschmückte  kaufsraum ineinander ver-        in Pension.                      dern Authentizität.                mer oder Chueligurte verziert
         Schellenriemen und reich ver-     schmelzen.                                                                                           er mit Metallbeschlägen, die
         zierte Chueligurte. Die Produkte                                   Welchen Stellenwert haben  Was wünschen Sie sich für die            Motive aus dem Alltag der Sen-
         sind echte Kostbarkeiten.         Was fasziniert Sie daran, Alt-   Traditionen heute noch?          Zukunft für Ihre traditionelles    nen zeigen. Ein zentraler Teil
                                           hergebrachtes sorgfältig weiter  Gerade im Kanton Appenzell  Handwerk?                               ist  das  Ziselieren.  Dabei  wer-
         Dörig ist offen für Neues und  zu pflegen?                         Innerhoden ist das Brauchtum  Allgemein noch mehr Wert-             den die Metallteile mit Punzen
         experimentiert gerne mit krea-    Besonders fasziniert mich das  hoch im Kurs.  Mit den Trach-      schätzung, das heisst, dass das    und Hammer präzise bearbei-
         tiven Neuinterpretationen des  Ziselieren – das ist eine span-     ten der Alpabfahrten, aber auch  Handwerk beispielsweise auch       tet und erhalten so ihr traditio-
         alten Handwerkes. «Man muss  nende Nische. Die Vielfalt ist  typischen Produkten wie dem  in den Schulen wieder einen                  nelles Aussehen.                       CR
         nicht unbedingt ein Senn sein,  hier unendlich. Ich kreiere  Appenzellerkäse oder Biber,  grössreren Stellenwert be-                       www.roger-doerig.ch
         um an fein gearbeiteten Or-       hier nicht nur die traditionel-  dem Alpenbitter oder dem Lo-     kommt. Denn Handwerk hat
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