Page 4 - Rheinfelder Woche - KW 42 - 2021
P. 4
SEITE 4 DIENSTAG, 19. OKTOBER 2021
Keine Klischees, sondern Authentizität
BRAUCHTUM – Roger Dörig stellt in seinem «Büdeli» in Appen- cher Bier und dem Appenzeller nach wie vor goldenen Boden
zell Hosenträger, Hundehalsbänder, Schellenriemen und die Whiskytrek sowie unserer un- und wir benötigen gute Hand-
weltbekannten Chueligurte her – alles in Handarbeit. Tauchen vergleichbaren Musik, gehören werker. Sie sind unter ande-
Sie ein in die Welt des letzten Sennensattlers der Schweiz und Traditionen zu unserem Alltag rem das Rückgrat der Schweiz.
erleben Sie die gelebten Traditionen hautnah. und werden von Jung und Alt Wichtig ist mir auch, dass Tradi-
täglich gelebt. Dies ergibt zahl- tionen im Original beibehalten,
Das nostalgische «Büdeli» von namenten in Silber, Messing, reiche Synergien und Aufträge gepflegt und weitergeführt und
Roger Dörig beim Schloss Ap- Neusilber oder gar Gold seine für das Sennenhandwerk. nicht durch die Globalisierung
penzell ist ein Blickfang sowohl Freude zu haben», meint er. verwässert werden.
für Touristen als auch für Ein- «Meine Arbeiten sollen in der Wir leben in aussergewöhnli-
heimische. «Es ist wohl die un- Tradition verwurzelt bleiben, chen Zeiten. Hat Bewährtes an Interview: Corinne Remund
modernste und gerade deshalb aber ich möchte mit der alten Wichtigkeit gewonnen?
auch die heimeligste Werkstatt Fertigungstechnik auch das Absolut. Als Einmannbetrieb
im Appenzellerland», schreibt Kreative, Moderne wagen – Sen- nach dem Motto meines Gross- Roger Dörig ist 1970 in Appen-
der passionierte Sennensattler nisches mit Design verbinden.» vaters «Bleib klein und al- zell geboren und als Sennen-
auf seiner Homepage. «Alles ist lein!...» haben ich aufgrund der sattler eine Mischung aus Satt-
wie früher, wie zu Zeiten meines Wieso fühlen Sie sich in ihrem Pandemie keine grossen Einbus- ler und Goldschmied. Er hat
Grossvaters Hans Fuchs. Schon «Büdeli» so wohl? Bild: Thomas Biasotto sen erlitten – zumal meine Auf- eine KV-Lehre absolviert und
war als Skirennfahrer interna-
als Bub habe ich ihm oft zuge- Roger Dörig: Während in den Sennensattler aus Leidenschaft: träge eine längere Auslastung tional unterwegs. 1994 trat er
guckt und ein bisschen auspro- 70er-Jahren viele Bauten hier in Reto Dörig garantieren. Ebenso bin ich ge- in die Stapfen seines Gross-
bieren dürfen, als Jüngling dann Appenzell renoviert und moder- rade jetzt mit meinem Online- vaters und hat von ihm die über
sein künstlerisches Handwerk er- nisiert wurden, hat mein Gross- len Sujets wie Sennen, Chueli, Shop auf dem richtigen Weg. 125-jährige Werkstatt über-
lernt. Es ist tief in der Appenzel- vater sein «Büdeli» nostalgisch sondern auch immer wieder Die Kundinnen und Kunden le- nommen. Er betreibt diese in
ler Brauchtumstradition verwur- gelassen. So ist es ein Blickfang neue, moderne Ornamente – gen vermehrt grossen Wert da- vierter Generation und erhält
zelt», erzählt er. So pflegt er das geblieben und wie eine Stube das macht grossen Spass. Mein rauf, zu wissen, wer und was damit das Appenzeller Brauch-
Althergebrachte sorgfältig weiter eingerichtet, wo Werkstatt mit Hobby ist mein Beruf und ich hinter einem Produkt steht. Sie tum am Leben: Hosenträger,
und es entstehen prachtvolle Ho- diversen Arbeitsplätz und Ver- gehe sicher nicht mit 65 Jahren möchten keine Klischees, son- Hundehalsbänder, Schellenrie-
senträger, kunstvoll geschmückte kaufsraum ineinander ver- in Pension. dern Authentizität. mer oder Chueligurte verziert
Schellenriemen und reich ver- schmelzen. er mit Metallbeschlägen, die
zierte Chueligurte. Die Produkte Welchen Stellenwert haben Was wünschen Sie sich für die Motive aus dem Alltag der Sen-
sind echte Kostbarkeiten. Was fasziniert Sie daran, Alt- Traditionen heute noch? Zukunft für Ihre traditionelles nen zeigen. Ein zentraler Teil
hergebrachtes sorgfältig weiter Gerade im Kanton Appenzell Handwerk? ist das Ziselieren. Dabei wer-
Dörig ist offen für Neues und zu pflegen? Innerhoden ist das Brauchtum Allgemein noch mehr Wert- den die Metallteile mit Punzen
experimentiert gerne mit krea- Besonders fasziniert mich das hoch im Kurs. Mit den Trach- schätzung, das heisst, dass das und Hammer präzise bearbei-
tiven Neuinterpretationen des Ziselieren – das ist eine span- ten der Alpabfahrten, aber auch Handwerk beispielsweise auch tet und erhalten so ihr traditio-
alten Handwerkes. «Man muss nende Nische. Die Vielfalt ist typischen Produkten wie dem in den Schulen wieder einen nelles Aussehen. CR
nicht unbedingt ein Senn sein, hier unendlich. Ich kreiere Appenzellerkäse oder Biber, grössreren Stellenwert be- www.roger-doerig.ch
um an fein gearbeiteten Or- hier nicht nur die traditionel- dem Alpenbitter oder dem Lo- kommt. Denn Handwerk hat