Page 3 - Zofinger Woche - KW 24 - 2022
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DIENSTAG, 14. JUNI 2022                                                                                                                                      SEITE 3






                                                   FORTSETZUNG

          Glücklicherweise hatte ich eine
          Familie und ein Umfeld, das
          mich unterstützte und moti-                                                                           Mit spitzer Feder …
          vierte, ohne mich zu drängen.
          Ich war in jedem Chor, in jeder
          Theaterproduktion, an  jeder
          Veranstaltung, die die Kantons-
          schule Luzern zu bieten hatte.
          Ich war Mitgründerin des Musi-
          cal Vereins «Musical Fever» und                                                                                         Losgelöst!
          versuchte so viele Erfahrungen
          wie  möglich  zu  sammeln,  be-
          vor ich dann nach der Matura
          nach London zog, wo ich an der
          Mountview Academy of Thea-
          tre Arts ein dreijähriges Voll-                                                                       Kennen Sie das? In schwieri-   die ich konzentriert und sorgfäl-
          zeitstudium und den Abschluss                                                                         gen Zeiten verlieren wir manch-  tig zusammenlege – es ist wie
          zur Musicaldarstellerin machte.                                                             Bilder: zVg  mal die Freude und die Leich-  eine  Meditationsübung.  Oder
          Seither arbeite ich als professio-  Die Wahl-Aargauerin aus Reinach, Raya Sarontino, bei den Proben als Hannah.   tigkeit des Lebens aus den  mit anderen Menschen liebe-
          nelle Musical- und Operetten-                                                                         Augen. Doch wie holen wir uns  voll zusammen sein, ihnen ge-
          darstellerin.                    Was möchten Sie den Zu-          das Umgewöhnen  einfach  et-        mehr  Leichtigkeit ins  Leben  nau zuhören und so ihre Ener-
                                           schauerinnen und Zuschauern  was schwierig. Ich mag jedoch           (zurück)? Wir können Leich-    gie und ihren Geist erfassen
           Was schätzen Sie besonders an  mitgeben?                         den Aargau wirklich sehr. Und       tigkeit und Freude nur empfin-  – eine Kunst, die nicht jeder be-
          Ihrem Beruf?                     Gänsehaut-Momente, grosse  ich fühle mich in Reinach pud-            den, wenn auch etwas Leich-    herrscht, die mich aber immer
          «There's no business like show  Emotionen, schöne Erinnerun-      delwohl, hatte mich dort schon      tes und Erfreuliches in unserer  glücklich und zufrieden macht.
          business.» So hart und brutal es  gen und hoffentlich die Lust,  vom ersten Moment an zuhause         Realität – dem Hier und Jetzt –  Durch solche bewusste Alltags-
          manchmal  auch  ist  in  diesem  viele weitere kulturelle Veran-  gefühlt. Ist es die für mich an-    existiert. Doch leider ist es so,  aktivitäten wird keine künstliche
          Beruf: wenn man in eine Rolle  staltungen zu besuchen, damit  genehme Grösse der Stadt, die           dass wir in schwierigen Pha-   Leichtigkeit erzeugt – denn das
          schlüpfen, zusammen mit den  sich der Kultur-Sektor, wie auch  Freundlichkeit der Bewohner,           sen Schönes gar nicht wahr-    wäre Selbsttäuschung. Viel-
          Kollegen sich und das Publikum  alle damit zusammenhängen-        unsere tollen Nachbarn, der         nehmen. Wenn uns Sorge und  mehr trainieren wir ein Gespür
          in eine andere Welt entführen,  den Berufszweige  irgendwann  für mich vertraute Dialekt oder         Nöte plagen, neigen wir dazu,  für die kleinen, häufig überse-
          Emotionen kreieren kann und  wieder regenerieren können.          unser Traumzuhause...? Jeden-       uns ausschliesslich auf diese  henen Freuden im Alltag zu ent-
          schlussendlich mit Applaus be-                                    falls kriegt man mich dort nicht    Probleme zu fixieren, bis wir  wickeln und sie bewusst zu er-
          lohnt wird... dann weiss man:  Als gebürtige Luzernerin leben  mehr so schnell weg. Auch das          meinen das Problem sei ge-     leben.
          das war's wert. Ausserdem gibt  Sie in Reinach im Kanton Aar-     «Achtung Gefahr» am Num-            löst. Ich habe mir das mühsam
          es wenig Berufe, die so abwechs-  gau. Wie gefällt es Ihnen in die-  mernschild macht  mir  nichts    abgewöhnt, und dieses läs-     Ich fühle mich leicht, wenn ich
          lungsreich sind wie dieser.      sem Kanton?                      aus, dient es mir doch hin und      tige Muster mehrheitlich abge-  meine Wohnung geputzt habe
                                           Ich muss ehrlich gestehen:  wieder als kleine Entschuldi-            schafft oder geändert: Gerade,  und so innerlich wie äusserlich
          Was wünschen Sie sich persön-    wenn mich jemand fragt, woher  gung, wenn ich mal etwas frech        wenn es mir nicht so gut geht,  alles geordnet habe. Auch Ja-
          lich für die Spielzeit auf der Wa-  ich komme, dann antworte ich  fahre. Aber Scherz beiseite, ich    bemühe ich mich darum, noch  ckenfunde machen mich glück-
          lensee-Bühne?                    oft noch als Reflex mit «Kriens,  bin wirklich stolz darauf, nun     achtsamer durch die Welt zu  lich.  Manchmal  sind  es Geld-
          Schönes Wetter, gute Gesund-     Luzern». Also liebe Aargauerin-  Aargauerin zu sein.                 gehen und meine Sinne auf das  scheine (akutes  Ich-bin-reich
          heit für alle und vor allem viel  nen und Aargauer: bitte nicht                                       Schöne auszurichten. Ich kon-  Gefühl), manchmal ein Bon-
          Spass für uns wie auch das Pu-   böse sein. Aber nach mehreren                                        zentriere mich extrem auf meine  bon (Naschkatzen lieben das)
          blikum.                          Jahrzehnten als Krienserin ist        Interview: Corinne Remund      geliebte klassische Musik oder  und manchmal Eintrittskarten,
                                                                                                                lasse mich von den intensiven  die mich jedes Mal eine kleine
                                                                                                                Farben oder zauberhaften For-  Zeitreise machen lassen. Ein
            Ein neuer Rekord am Walensee                        FLASHDANCE – DAS MUSICAL                        men der  Natur beeindrucken.  Glücksgefühl erfasst mich je-

            «Obwohl unsere Kulisse mit Blick auf den          Die 18-jährige Alex arbeitet tagsüber als         Ein Spaziergang durch die pit-  weils am Morgen, wenn ich auf
                                                                                                                toreske Zofinger Altstadt mit ih-
                                                                                                                                               dem Bahnsteig stehe. Ich freue
            Walensee und die Churfirsten an sich schon        Schweisserin in einem Stahlwerk und nachts        ren wunderschönen Brunnen,  mich auf das bequeme Polster
            majestätisch ist, können wir mit dem dies-        in einer schäbigen Bar namens Harry‘s. Ihr        Dachgiebeln und kunsthistori-  der Wagons der 1. Klasse, auf
            jährigen Bühnenbild noch einen zusätzli-          grösster Wunsch ist es allerdings, Tänze-         schen Details wirkt da Wunder!  das leise Gemurmel der ande-
            chen, eindrücklichen Eye-Catcher bieten»,         rin  zu  werden  und  an  der  berühmten  Shi-    Mit Disziplin und Hartnäckigkeit  ren Passagiere, die prächtigen
            schwärmt Projektleiter Marco Wyss. Rund           pley Academy aufgenommen zu werden. Als           gelingt es ganz gut, sich solche  Landschaften des Oberaar-
            30 Handwerkerinnen und Handwerker arbei-          Autodidaktin hat Alex jedoch keine klassi-        Muster abzugewöhnen, obwohl  gaus und des Emmentals, die
            ten  vom  Gerüst  bis  zum  letzten  Kabel  an    sche Tanzausbildung genossen. Ihre Men-           es bis zu einem Punkt in unse-  an mir vorbeirauschen, und auf
            der einmaligen Konstruktion, die zahlreiche       torin und ihre Freunde unterstützten sie auf      rer Natur liegt. Denn unser Ge-  das aufregende Gefühl des Rei-
            Ebenen, Aufgänge und bewegliche Teile, wie        der Jagd nach ihrem Traum und als ihr Chef        hirn ist so verdrahtet, dass es  sens. Zudem beglückt mich je-
            etwa sich drehende Turbinen, vereint. «Holz       Nick ihr mithilfe seiner Kontakte ein Vortan-     die Tendenz hat, sich auf Prob-  den Samstag auf den Markt im
            und Aluminium verhelfen unserem Bühnen-           zen organisiert, ist Alex ihrem Ziel plötzlich    leme zu fokussieren. Dies ist für  Städtchen das Aussuchen der
            bild zu einem rauen, aber sehr attraktiven In-    greifbar nah. Doch eigentlich möchte sich         uns überlebenswichtig, müs-    frischen Rosen für die nächste
            dustrie-Look», so Marco Wyss weiter. Mit 15       Alex ihren Traum ohne fremde Hilfe erfüllen.      sen wir doch frühzeitig erken-  Woche – ein Ritual, das ich
            Metern Höhe beim obersten Kran stellt die         Und als Nick sich dann auch noch in sie ver-      nen, wo Gefahren drohen, und  nicht mehr missen möchte.
            Walensee-Bühne bei FLASHDANCE – DAS               liebt, wird das Leben der jungen Tänzerin nur     welche Bredouillen uns ereilen  Das absolute Highlight ist mein
            MUSICAL auch intern einen neuen Höhen-            noch komplizierter.                               könnten. Dazu kommt, dass wir  Abendspaziergang über den
            rekord auf. Trotz seiner imposanten Grösse                                                          in einer komplexen Welt leben,  Heiteren oder an den Trotten-
            lässt das diesjährige Bühnenbild den Blick        Regie:  Stanislav  Moša;  Musikalische Lei-       in der im Prinzip permanent Ge-  weiher. Dann bin ich in abso-
            auf die malerische Kulisse aus Walensee und       tung: Gaudens Bieri;  Choreografie: Igor          fahren auftreten können.       luter Harmonie mit  mir,  wenn
            Churfirsten frei. Zeitgleich mit dem Bühnen-      Barberic; Bühne: Petr Hloušek und Jaroslav                                       ich diese Düfte von Nadelhöl-
            aufbau ist auch der Bau der Tribünenüberda-       Milfajt;  Kostüm:  Andrea  Kučerová;  Maske:      Aber eben wie gesagt unser  zern, von Sonne und Asphalt
            chung gestartet. Das 12,5 Meter hohe, sat-        Maskenwerkstatt Wartenberg;  Tondesign:           Gehirn ist neuroplastisch, was  einatme. Dann bin ich plötz-
            telförmige Dach bietet 1’600 Zuschauerinnen       Andreas Brüll;  Lichtdesign:  David  Kachlíř;     bedeutet, dass wir nicht nur  lich wieder in meiner Kindheit,
            und Zuschauer Schutz vor Wind und Wetter.         Buch: Tom Hedley/Robert Cary; Musik: Rob-         neue Tätigkeiten lernen können,  meiner Jugend. Ich nasche von

                                                              bie Roth;  Liedtexte: Robert Cary/Robbie          sondern auch Haltungen und  den Johannisbeersträuchern,
                                                              Roth; Arrangements: Jason Howland; Ver-           so auch aus Problemfokussie-   höre die Stimme meiner Mut-
                                                              lag: Gallissas Theaterverlag und Mediaagen-       rungen austeigen können. Los-  ter, das Lachen meines Bru-
                                                              tur GmbH.                                         lassen und in der Gegenwart  ders, sein blonder Schopf er-
                                                                                                                leben – ohne Wenn und Aber –  scheint und ich schaukle noch
                                                              Aufführungsdaten: 15. Juni bis 23. Juli 2022      ist ein zauberhaftes Gefühl, das  schneller. Das ist jetzt weit weg.
                                                              Familienvorstellungen: 17.6., 26.6. (Nach-        Flügel verleiht. Bewusst alltägli-  Ich atme noch tiefer ein, streife
                                                              mittagsvorstellung), 21.7.2022                    che Dinge verrichten. So atme  durch den Sommerabend. Ich
                                                              Vorverkauf: www.walenseebuehne.ch, 0900           ich beispielsweise den Duft der  fliege durch die Zeit – Glück pur.
                                                              325 325 (CHF 1.19/Min.), Vorverkaufsstellen       frischen Wäsche bewusst ein
                                                              von Seetickets, Post Walenstadt und Infostel-     und nehme die Beschaffen-      Herzlichst,
                                                              len Heidiland                                     heit der verschiedenen Materi-  Ihre Corinne Remund
                                                                                                                alen der Kleidungsstücke wahr,  Verlagsredaktorin
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