Page 7 - Zurzacher Woche - KW 47 - 2020
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DIENSTAG, 17. NOVEMBER 2020                                             INTERVIEW                                                                            SEITE 7





          «Es wird einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen geben!»




          Gemäss dem Zürcher SVP-                                                                             Steuerausfälle und den Arbeits­  Was passiert, wenn die KVI an-
          Nationalrat Alfred Heer neh-                                                                        platzabbau kompensieren?  genommen wird?
          men die Schweizer Firmen                                                                            Wohl kaum.                       Konzerne werden wegziehen,
          ihre  wirtschaftliche  Verant-                                                                                                       KMU ebenso. Die hohe Arbeits­
          wortung im In- und Ausland                                                                          Bundesrat und Parlament ha-      losigkeit wird weiter zunehmen
          vorbildlich wahr. Die Kon-                                                                          ben bei einem Nein der Initia-   und schweizweit gehen Milliar­
          zernverantwortungsinitiative                                                                        tive einen Gegenvorschlag aus-   den an Steuereinnahmen verlo­
          (KVI) führt zu Steuerausfäl-                                                                        gearbeitet, der die Anliegen der  ren.
          len und Arbeitsplatzabbau.                                                                          Initianten wie auch der Wirt-
          Deshalb lehnt er die Unterneh-                                                                      schaft berücksichtig. Unter-          Interview: Corinne Remund
          mensverantwortungs-Initia-                                                                          stützen Sie diese bundesrätli-
          tive, über die am 29. Novem-                                                                        che Alternative und wieso?
          ber abgestimmt wird, ganz                                                                           Ich habe auch den Gegenvor­
          klar ab.                                                                                            schlag im Rat abgelehnt, da                Zur Person
                                                                                                              auch dieser nicht nötig ist. Je­
          Alfred Heer, Sie sind gegen die                                                                     doch tritt dieser automatisch in   Alfred Heer wohnt in Zürich
          Konzernverantwortungsinitia-                                                                        Kraft, wenn die Initiative abge­  und ist Kleinunternehmer. Der
          tive (KVI). Was sind Ihre Haupt-                                                                    lehnt wird. Immerhin sieht er     59jährige SVP­Mann vertritt
          argumente dagegen?                                                                                  eine Berichterstattung vor, was   den  Kanton  Zürich  seit  2007
          Alfred Heer: Die Initiative                                                                         aber bereits heute bei den gros­  im Nationalrat. Stationen sei­
          wird Tür und Tor öffnen, um                                                                  Bild: zVg  sen Firmen der Fall ist. Die klei­  ner politischen Karriere sind
          Konzerne aber auch Gewerbe­      Der  Zürcher  SVP-Nationalrat  Alfred  Heer  warnt  vor  der  Konzernverant­  nen  KMU  müssen  halt  in  Zu­  vier Jahre im Gemeinderat,
          betriebe in der Schweiz mit  wortungsinitiative: «Bei einem Ja gehen schweizweit Milliarden an Steuer­  kunft mehr Bürokratie leisten,   13  Jahre  im  Kantonsrat,  da­
          Klagen einzudecken. Die Fir­     einnahmen verloren.»                                               aber immerhin ist der Gegen­      von vier Jahre als Fraktions­
          men müssen ihre Unschuld be­                                                                        vorschlag besser als die will­    präsident.
          weisen, was kostspielig und  Unsere KMU wären gemäss Ini-         Ja, es wird einen massiven Ver­   kürliche Klageinitiative namens
          manchmal gar nicht möglich  tianten von der Initiative ausge-     lust von Arbeitsplätzen geben.  Konzernverantwortung.
          ist.                             nommen.  Stimmt  das  und wie  Diese  Konzerne gehen dann
                                           stark sind KMU davon betroffen.  halt in ein EU­Land oder nach
          Schweizer Grosskonzerne wer-     Nein, das stimmt nicht. Sie  UK, wo man nicht willkürlichen                              Die Initiative
          den von den Initianten als Übel-  sind ab einer gewissen Grösse  Klagen ausgesetzt ist. Gerade
          täter bezeichnet, die unter an-  nicht ausgenommen. Man rech­     in der Corona Krise sollten wir     Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen –
          derem rechtsfreie Räume aus-     net, dass über zehn Prozent  jetzt sorgsam auf die Wirtschaft        zum  Schutz  von  Mensch  und  Umwelt»  –  bekannt  als  Kon­
          nützen etc. Ist das nicht etwas  des Bruttosozialproduktes der  achten.                               zernverantwortungsinitiative – verlangt, dass Unternehmen
          übertrieben?                     Schweiz gefährdet ist.                                               mit Sitz in der Schweiz die Menschenrechte und internatio­
          Die Schweizer Grosskonzerne                                       Können Sie die Anliegen der         nale Umweltstandards auch im Ausland respektieren müssen.
          sind vorbildlich auf der ganzen  Hilft  die  Konzernverantwor-    Initianten dennoch nachvollzie-     Verletzt eine Schweizer Firma im Ausland diese Rechte, soll
          Welt. Denken Sie an chinesi­     tungsinitiative wirklich Men-    hen?                                sie dafür haftbar gemacht werden können. Sprich: Menschen,
          sche Grosskonzerne und was in  schen in Entwicklungsländern  Gut gemeint ist oftmals das
          China abläuft. Aber auch Ame­    oder gibt die Initiative nur vor,  Gegenteil von Gut. Mit der Ab­    die im Ausland von einer Schweizer Firma geschädigt wurden,
          rikaner und Russen sind nicht  Gutes für die Menschen in aller  wanderung von Schweizer Kon­          sollen hier auf Schadenersatz klagen können. Einzige Aus­
          besser.                          Welt zu tun?                     zernen übernehmen noch mehr         nahme von der Haftungsregelung: Wenn die Firma nachwei­
                                           Am besten sind die Rechte der  Chinesen, Russen und Ameri­           sen kann, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen ist.
          Es ist doch für unsere Gross-    Menschen in Entwicklungslän­     kaner in den Entwicklungslän­       Das Parlament hat deshalb einen griffigen Gegenvorschlag er­
          konzerne wie auch KMU selbst-    dern geschützt, wenn Schweizer  dern.  Für  die  Menschen,  die      arbeitet, der Unternehmer verpflichtet, über ihr Engagement
          verständlich, dass sie die Men-  Konzerne  dort  arbeiten. Glau­  dort leben, eine Verschlechte­      zu berichten. Für Kinderarbeit und Konfliktmineralien sieht er
          schenrechte und internationa-    ben Sie, dass chinesische oder  rung in allen Bereichen.
          len Umweltstandards im Aus-      russische Konzerne, sich an ir­                                      sogar strengere Sorgfaltspflichten vor. Wer dagegen verstösst,
          land respektieren!               gendwelche Menschenrechte  Es gibt (bürgerliche) Unterneh-           wird bestraft. Der Gegenvorschlag kann bei einem Nein der
          Für Schweizer Grosskonzerne  halten? Die Schweizer Firmen  mer, die sprechen sich für die             Initiative sofort umgesetzt werden – ohne langwierige Diskus­
          ja. Bei einem Ja zur Initiative  sind vorbildlich.                Initiative aus. Was sagen Sie       sionen im Parlament. Die Schweiz würde auf einen Schlag zur
          werden diese den Sitz verlegen,                                   dazu?                               weltweiten Vorreiterin im Bereich Unternehmensverantwor­
          weil sie sich ständig gegen er­  Könnte die KVI – wenn sich  Es handelt sich hier um einige           tung werden.
          fundene Klagen wehren müs­       Schweizer Unternehmen aus  wenige Unternehmer in der                                        Weitere Infos:
          sen. Dies  führt  zu  Verlust  von  Entwicklungsländern zurück-   Schweiz. Die Initiative ist vor                   www.leere-versprechen-nein.ch
          Steuersubstrat und Hundertaus­   ziehen – zum Verlust von vielen  allem ein Produkt von NGO’s
          enden von Arbeitsplätzen.        Arbeitsplätzen führen?           und Kirchen. Werden diese die


               Kampagne zu Medikamentensucht: «Wir reden über das Tabu»



         Still und versteckt, doch weit verbreitet: Rund 200‘000 Personen sind in der Schweiz abhängig
         von Schlaf- und Beruhigungsmitteln – und trotzdem spricht kaum jemand darüber. Nun lan-
         ciert die Arud eine Präventionskampagne, für die der «Platzspitzbaby»-Regisseur Pierre Mon-
         nard gewonnen werden konnte.


         Die Arud macht die stille Sucht  Jahren: In dieser Gruppe neh­     Erleichterung, indem sie Symp­
         zum Thema ihrer diesjährigen  men 11 Prozent täglich oder  tome wie Angst, Unruhe, innere
         Kampagne. Im Fokus stehen  fast täglich Benzodiazepine –  Anspannung und Schlafstörun­
         Schlaf­ und Beruhigungsmittel.  die überwiegende Mehrheit seit  gen mildern, können sie länger­
         Damit möchte Arud die Öffent­     mindestens einem Jahr oder  fristig selbst zum Problem wer­
         lichkeit sensibilisieren und dem  länger», so Thilo Beck, Chefarzt  den. Eine Abhängigkeit ist da­
         Stigma, unter dem Suchtbetrof­    Psychiatrie  der  Arud.  «Dabei  bei ein komplexes Zusammen­
         fene so sehr leider, entgegenwir­  ist das Risiko für ältere Perso­  wirken verschiedener Faktoren
         ken. Auch hofft Arud, dass sich  nen besonders hoch: es drohen  und mit einer chronischen Er­
         Betroffene dank der Kampagne  Stürze mit Knochenbrüchen,  krankung vergleichbar.
         weniger allein fühlen und sich  Verwirrtheit und Vergesslich­
         Unterstützung holen.              keit.»                               Probleme ansprechen
                                                                                     und angehen                                                                       Bild: pixabay
                  Ältere Frauen:                  Die Gründe für             Es bestehen wirksame Behand­    Medikamentensucht ist weit verbreitet: Arud, das Zentrum für Suchtmedizin
           besonders häufig betroffen,           eine Abhängigkeit          lungsangebote. Auf die indivi­   lanciert eine Kampagne.
             besonders hohes Risiko                sind vielfältig          duelle Situation abgestimmt
         «Die Einnahme von Schlaf­ oder  Der Weg in die Abhängigkeit ver­   werden Betroffene darin unter­      Mehr Informationen rund um die Kampagne und Medikamen-
         Beruhigungsmitteln steigt mit  läuft gerade bei Benzodiazepi­      stützt, ihr Leben möglichst ri­     tenabhängigkeit finden Sie auf der folgenden Website:
         dem Alter stark an. Am häufigs­   nen schleichend: Bringen Ben­    sikoarm und selbstbestimmt zu       www.arud.ch/medikamentensucht
         ten betroffen sind Frauen ab 70  zodiazepine anfänglich noch  gestalten.                                pd
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