Page 6 - Zurzacher Woche - KW 23 - 2021
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SEITE 6 DIENSTAG, 8. JUNI 2021
«Gut gemeint, aber weit über das Ziel hinaus!»
Sowohl die Trinkwasser- als initiative ist auch die Hygiene geblich reduziert. Bestehende 40 Prozent gesunken – der Ge-
auch die Pestizidverbots-In- und Lebensmittelsicherheit in punktuelle Probleme wur- brauch von Herbiziden sogar
itiative gefährden die regio- der Nahrungsmittelherstellung den durch die Politik bereits um 45 Prozent. Mit dem neuen
nale Produktion und verteu- nicht mehr gewährleistet. erkannt. Das Parlament hat Pestizidgesetz, welches das
ern regionale Lebensmittel, jüngst das wohl strengste Pes- Parlament im Frühling verab-
die Importe steigen und der Was sind Ihre Hauptargumente? tizidgesetz Europas verabschie- schiedet, wird der Verbrauch
Umwelt ist nicht gedient. Ma- Die Initiativen sind zu extrem det. zusätzlich abnehmen. Die Risi-
tija Nuic, Kampagnenspre- und haben gravierende Auswir- ken von Pflanzenschutzmittel
cher IG Zukunft Pflanzen- kungen. Sie verteuern und ver- Sie argumentieren, das Verbot müssen bis 2027 halbiert und
schutz und Direktor Verband knappen das Angebot regiona- von synthetischen Pestiziden es sollen Alternativen zum che-
Schweizer Gemüseproduzen- ler Lebensmittel massiv. KMU, kommt einem Innovationsver- mischen Pflanzenschutz geför-
ten VSGP, über die negativen Mittelstand und sozial benach- bot gleich. Erklären Sie das! dert werden.
Konsequenzen für die gesamte teiligte Personen bekommen Innovationen, etwa im Bereich
Wirtschaft, über die Wasser- die Preissteigerungen beson- der digitalen Landwirtschaft, Zum Abschluss kurz und bün-
qualität in der Schweiz und ders zu spüren. Kaffee, Bier, können den Einsatz von Pflan- dig: Wieso soll man am 13. Juni
das strengste Pestizidgesetz Schokolade und weitere Kon- zenschutzmitteln reduzieren, zwei Mal Nein stimmen?
der Schweiz. sumgüter werden massiv teu- bedingen aber Investitionen in Die Pestizidverbots- und Trink-
rer oder verschwinden bei der Forschung und Entwicklung, wasser-Initiativen sind kontra-
Gegen die beiden extremen Annahme der Pestizidverbots- die bei einer Annahme der produktiv und gefährlich. Das
Agrar-Initiativen wehren sich Initiative. Initiativen kaum mehr mög- Angebot an regionalen Produk-
die Landwirtschaft, die Wirt- lich wären. Es besteht die Ge- ten würde stark sinken und die
schaft, die Forscher, die Gärt- Haben denn diese beiden Ag- Bild: zVg fahr, dass neue und noch un- Preise massiv steigen. Food
ner und Landschaftspfleger rarinitiativen, die ja unsere Um- Matija Nuic, Kampagnensprecher IG bekannte Forschungsansätze Waste und Einkaufstourismus
sowie Konsumentinnen und welt und Gesundheit schützen Zukunft Pflanzenschutz und Direk- nicht mehr finanziert wer- würden spürbar zunehmen.
Konsumenten. Wieso dieser wollen, keinen Mehrwehrt für tor Verband Schweizer Gemüsepro- den. Technologieverbote lösen ProduzentInnen, Konsumen-
grosse, breit abgestützte Wi- die Umwelt und Trinkwasser? duzenten VSGP: «Die Initiativen sind keine Probleme, führen aber zu tInnen, Schweizer Lebensmit-
derstand? Die Initiativen sind gut gemeint, kontraproduktiv: Sie verteuern Le- Rückschritt und Wohlstands- telproduzenten und -Verarbei-
Matija Nuic: Die Initiativen be- schiessen aber weit übers Ziel bensmittel, fördern Food Waste und verlust. ter, Gewerbe, Gastronomie und
drohen nicht nur die Existenz hinaus. Unter dem Strich scha- Einkaufstourismus und verhindern KMU tragen den Schaden.
von Bauern, Gemüse-, Früchte- den sie der Umwelt sogar, weil Innovation beim Pflanzenschutz» Der Bund setzt als Alternative
und Zierpflanzenproduzenten. sie zu mehr Food Waste führen auf den Aktionsplan Pflanzen-
Sie verteuern auch die Pro- und ökologisch fragwürdige Im- werden da nicht Grenzwerte schutz. Wie soll das funktionie- Interview: Corinne Remund
duktion vieler KMU und belas- porte und Einkaufstourismus überschritten und zu viele Pes- ren und wieso stehen sie hinter
ten das Portemonnaie der Kon- fördern. tizide eingesetzt? diesem Vorschlag?
sumentinnen und Konsumen- Grundsätzlich ist die Wasser- Der Einsatz von Pflanzen- Weitere Informationen:
ten massiv. Durch das Verbot Hand aufs Herz: Wie sauber qualität in der Schweiz sehr schutzmitteln ist in der kon- www.zukunft-pflanzenschutz.ch
von Desinfektionsmitteln (Bio- sind denn unsere Böden und gut. In den letzten Jahrzehn- ventionellen Produktion in den
ziden) bei der Pestizidverbots- unser Trinkwasser wirklich, ten wurden Belastungen mass- letzten zehn Jahren um rund
«Ein Scheitern wäre fatal!»
Marianne Binder, Präsiden- Das Gesetz führt eine national unter 2 Grad zu halten. Wie
tin Die Mitte Aargau und Na- einheitliche «Abwrackprämie» könnten wir von grossen Staa-
tionalrätin, erklärt wieso es vor. Mit dem neuen CO2-Gesetz ten wie der USA und China ver-
das revidierte CO2-Gesetz gibt es zudem attraktive Lea- langen, dass sie ihre Verpflich-
braucht. Für sie ist es ein ent- singlösungen, was allen Haus- tungen einhalten, wenn wir sel-
scheidender Schritt, damit besitzenden nützt, welche die ber nichts tun? Der Schweizer
auch die künftigen Generatio- Mittel für die notwendige Inves- Tourismus, die Landwirtschaft
nen eine lebenswerte Zukunft tition nicht aufbringen können. und die Flüsse und Wälder lei-
haben. Dank deutlich tieferen Energie- den stark unter dem Klimawan-
und Betriebskosten lohnt sich del. Das neue CO2-Gesetz ist
Am 13. Juni entscheiden wir an der Umstieg auf klimafreundli- die Voraussetzung dafür, dass
der Urne über das CO2-Gesetz. che Heizungen auch finanziell. die Schweiz ihre Klimaziele er-
Wieso braucht die Schweiz die- reichen kann und die Gelder
ses Gesetz dringend? Was würde ein Nein zum CO2- ins lokale Gewerbe fliessen,
Marianne Binder: Das CO2-Ge- Bild: zVg Gesetz für die Schweiz bedeu- statt ins Ausland.
setz ist eine Grundlage, um die Das neue CO2-Gesetz ist die Voraussetzung dafür, dass die Schweiz ihre Kli- ten?
Auswirkungen des Klimawan- maziele erreichen kann Wie die meisten Länder hat
dels bekämpfen zu können, von sich die Schweiz mit dem Pari- Interview: Corinne Remund
welchen auch die Schweiz be- Das Gesetz ist ein solider, fami- Einsatz, wenn die bestehende ser Klimaabkommen verpflich-
troffen ist. Deshalb stehen ja lienfreundlicher und breit ab- kaputt geht und ohnehin In- tet, zum weltweiten Ziel beizu-
auch im Besonderen die Berg- gestützter Kompromiss. Fast vestitionen notwendig sind. tragen und die Klimaerhitzung
gebiete dahinter. Das Gesetz er- alle Parteien, der Bundesrat,
öffnet gerade auch für KMU und über 160 Parlamentarierinnen
fürs Gewerbe in ländlichen Re- und Parlamentarier, gewichtige JA zum Klimaschutz am 13. Juni
gionen Chancen. Die Vorlage Teile der Schweizer Wirtschaft
setzt auf Innovation und Len- und viele Organisationen ste- Das CO2-Gesetz gleist den Schweizer Weg für den erneuerbare Energien, Gebäudesanierungen und In-
kung – statt auf Verbote. Das ist hen dahinter. So unter ande- Klimaschutz auf. Fast alle Parteien, der Bundes- novation, schafft es Arbeitsplätze vor Ort und unter-
richtig und wichtig für die Zu- rem der TCS und der Bauern- rat, der Bauernverband, der TCS, die Berggebiete stützt das lokale Gewerbe, statt Jahr für Jahr 8 Mil-
kunft unseres Wirtschaftsstand- verband. Wir müssen jetzt ge- und grosse Teile der Wirtschaft sind für das CO2- liarden Franken für Öl- und Gasimporte ins Ausland
orts. Am 6. Juni jährt sich zum meinsam handeln. Wenn wir Gesetz. zu schicken.
50. Mal der Umweltartikel in der trödeln, bezahlen wir dafür
Verfassung. Er geht zurück auf einen Preis. Das vernünftige und wirtschaftsfreundliche Gesetz Wer künftig weniger fossile Energie verbraucht, pro-
eine Motion aus dem Jahre 1964 wird dringend gebraucht, um die Treibhausgase fitiert dank der Rückverteilung als Privatperson, Fa-
aus unseren Reihen. Der dama- Was würden Sie einem Rentner wirksam zu senken. Die Landwirtschaft, der Touris- milie oder Firma. Der Klimafonds für klimascho-
lige Nationalrat Julius Binder sagen, der seine Heizung auf- mus und unsere Wälder leiden stark unter dem Kli- nende Technologien und Innovation hilft auch, un-
aus Baden argumentierte mit grund des Gesetzes erneuern mawandel. Mit dem Pariser Klimaabkommen hat gerechte Folgen des Klimawandels auszugleichen.
der erfolgreichen Verbindung muss und sich diese Investition sich deshalb auch die Schweiz dazu verpflichtet, die So sind Berggebiete, Land- und Forstwirtschaft vom
von Ökologie und Ökonomie. von bis zu 80'000 Franken nicht menschgemachte Klimaerwärmung unter 2 Grad zu Klimawandel besonders betroffen und werden durch
Das CO2-Gesetz basiert darauf. leisten kann? begrenzen. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn wir das neue CO2-Gesetz unterstützt. Das Gesetz ist so-
Bundesrat und Parlament ha- jetzt gemeinsam handeln und uns mit dem CO2-Ge- zial, fair und bietet grosse Chancen.
Die Gegner argumentieren, ben mit einer Härtefallklausel setz auf den Weg machen Richtung Klimaschutz.
dass das CO2-Gesetz teuer, genau an solche Fälle gedacht. Das Gesetz arbeitet mit Lenken, nicht mit Verbieten. Weitere Informationen:
nutzlos und ungerecht ist. Wie Klimafreundliche Heizungen Durch die Investitionen im Inland, zum Beispiel in www.klimaschutz-ja.ch
sehen Sie das? kommen mit dem Gesetz zum