Page 3 - Aarauer Woche - KW 06 - 2021
P. 3
DONNERSTAG, 11. FEBRUAR 2021 SEITE 3
FORTSETZUNG
Der Aargau und mein Departe-
ment unternehmen bereits sehr
viel im Umweltbereich. Das ist
gut so, denn der Druck auf Natur Mit spitzer Feder …
und Landschaft steigt; und es
ist wichtig, dass wir zu unserer
«grünen» und «blauen» Infra-
struktur Sorge tragen und in sie Eher ein Grund
investieren, um sie zu erhalten
oder gar zu verbessern. Als bür-
gerlicher Politiker bin ich über- zum Heulen
zeugt, dass wir alle drei Ebenen
der Nachhaltigkeit gleichwer-
tig berücksichtigen müssen –
Gesellschaft, Wirtschaft, Um- Es ist unglaublich, einfach un- eben doch. Dies haben dann
welt. Konkret: Wir müssen Tie- Bild: pixabay glaublich! Vor 50 Jahren, am 7. 1971 immerhin auch einige Her-
ren und Pflanzen einen ausrei- Mit dem Programm «Natur 2030» setzt sich der Verkehrs- und Umweltdirek- Februar 1971, gestanden die ge- ren der Schöpfung realisiert.
chend grossen und gesunden tor und sein Departement für einen vielfältigen und vernetzten Lebensraum standenen Schweizer Männer ih- Nach diesem mühevoll erkämpf-
Lebensraum bieten, gleichzei- Aargau ein. Das Bild zeigt Lenzburg. ren Frauen das Stimm- und Wahl- ten «Frauensieg» – an dieser
tig muss der Aargau auch als recht auf eidgenössischer Ebene Stelle nachträglich ein ganz gros-
Wohn- und Wirtschaftsstandort aufgewertet und neue Lebens- Bis 2030 soll die Gesamtpla- zu – endlich. Denn dies geschah ses Dankeschön an die damali-
attraktiv bleiben und wir müs- räume geschaffen, indem bei- nung «Verkehrsinfrastruktur- ziemlich genau ein halbes Jahr- gen mutigen Protagonistinnen –
sen den Wohlstand unserer Ge- spielsweise ehemalige Feucht- Entwicklung Raum Suhr-VE- hundert, nachdem Länder wie ging es dann langsam vorwärts
sellschaft sichern. gebiete wiederhergestellt und RAS» realisiert werden. Was Estland, Armenien und Kirgis- mit der Frauenbewegung in der
Kleingewässer geschaffen wer- bedeutet dieses Verkehrskon- tan das Frauenstimmrecht einge- Politik. 1981 wurde die erste In-
Was sind die grössten Heraus- den. Zur besseren Vernetzung zept für den Raum Suhr? führt hatten. Wahrliche kein Ruh- itiative zum Gesetzesartikel «Glei-
forderungen des Departemen- der Lebensräume werden He- Die Region Suhr und insbe- mesblatt für Mutter Helvetia. Dass che Rechte für Frau und Mann»
tes Bau, Verkehr und Umwelt in cken gepflanzt, Trockenstein- sondere das Suhrer Dorfzen- wir Frauen erst vor 50 Jahren in nur von Frauen lanciert. Ebenso
diesem Jahr? mauern wiederhergestellt und trum sind einem stetig wach- der Demokratie mitbestimmen ist nur dank dem politischen Mit-
Die Auswirkungen der Corona- Kleinstrukturen neu geschaf- senden Verkehrsaufkommen durften, beschäftigt mich. Daher spracherecht der Frauen 1985
krise sind noch schwer abzu- fen. Magerwiesen- und Rude- auf Bahn und Strasse ausge- habe ich recherchiert und her- die Gesetzesänderung bezüglich
schätzen, aber sie werden si- ralstandorte, etwa entlang von setzt. Mit der VERAS werden ausgefunden, dieser «Tolgen» auf des neuen Eherechtes angenom-
cher alle Lebens- und Arbeitsbe- Bahn und Strassen oder auf der Siedlungs- und Wirtschafts- Helvetias Mieder ist noch beschä- men worden. Knapp 50 Prozent
reiche noch lange beeinflussen. ungenutzten Restflächen, tra- raum vom Durchgangsverkehr mender und erbärmlicher, als es der Schweizer Männer haben
Langfristig ist und bleibt aber gen zur Erhaltung der Insek- entlastet und Freiräume für auf den ersten Blick scheint. So damals das Gesetzt verworfen.
der Klimawandel die grösste He- tenvielfalt bei. Gerade in Ag- die Siedlungsentwicklung ge- mussten in keinem anderen Land Wäre es allein nach den Männern
rausforderung. Der Regierungs- glomerationen profitieren auch schaffen. Die Eingriffe in Land- die Mehrheit der Männer von den gegangen, wären sie noch heute
rat unterstützt das klimapoliti- die Menschen von der Aufwer- schafts- und Kulturland wurde Frauen überzeugt werden, ihre das Oberhaupt der Familie.
sche Ziel «Netto Null bis 2050» tung der Landschaft, indem sie soweit wie möglich minimiert, Privilegien abzugeben. Denn in al-
des Bundes. Deshalb hat er den wieder vermehrt Natur vor der indem ein Grossteil der Stras- len unseren Nachbarländern ha- Es dauerte dann allerdings noch
Entwicklungsschwerpunkt Kli- Haustüre erleben können, neu seninfrastruktur entweder im ben Regierungen selbst die Initia- 13 Jahre bis mit Elisabeth Kopp
maschutz und Klimaanpassung gepflanzte Stadtbäume heisse Tunnel oder auf bestehenden tive ergriffen. Notabene brauchte am 2. Oktober 1984 die erste
geschaffen und Gelder für die Sommertage erträglicher ma- Strassen geführt werden kann. es zwei Anläufe und beide Ab- Bunderätin gewählt wurde. Und
Entwicklung von zusätzlichen, chen oder entsiegelte Flächen Durch die VERAS werden die stimmungen 1959 als auch 1971 noch länger dauerte es bis das
innovativen Massnahmen ge- zur Versickerung und Verduns- Anbindung des Wynentals an kamen nur auf Druck von unten Parlament endlich weiblicher
sprochen. Es handelt sich da- tung des Regenwassers beitra- die A1 und nach Aarau sowie zustande, der Bundesrat – ein wurde. Heute ist ein ausgegli-
bei nicht nur um eine Heraus- gen. Zusammen mit Gemeinden das Velonetz für den lokalen rückständiges und selbstgerech- chenes Geschlechterverhältnis
forderung für die Umwelt, denn und Privaten soll deshalb mit und regionalen Verkehr verbes- tes Männergremium – engagierte immerhin in greifbarer Nähe, so
Klimapolitik ist nicht nur Um- dem Programm «Natur 2030» sert. Ein wesentlicher Bestand- sich keineswegs für diese längst wurde am 2. Dezember 2019 im
weltpolitik. Der Klimawandel auch im und um das Siedlungs- teil der VERAS sind die flan- fälligen Rechte der weiblichen Nationalrat 84 Frauen und 116
betrifft praktisch alle Bereiche, gebiet in eine «ökologische In- kierenden Massnahmen, mit Bevölkerung. Der Konsens war Männer vereidigt und drei Frauen
so zum Beispiel die Raumpla- frastruktur» investiert werden. denen der gesamte in den Be- klar: «Frauen haben in der Politik sitzen in der Bundesregierung –
nung, die Mobilität, den Ener- reichen Siedlung und Land- nichts verloren, punkt.» Damals nicht schlecht für den Anfang!
gie- und Gebäudebereich, die Ein wichtiges Bauprojekt ist die schaft, Fuss- und Veloverkehr wurde die Politik in der Beiz am Trotzdem – es müssen noch
Land- und Forstwirtschaft, den neue Aarebrücke «Pont Neuf» sowie Strassenraumgestaltung Stammtisch gemacht und dort mehr Schlüsselpositionen in Poli-
Gesundheitsbereich usw. Neben in Aarau. Sind die heiklen Pha- aufgewertet wird. Die VERAS waren Frauen nur als Service- tik und Wirtschaft mit Frauen be-
den Umweltmassnahmen setzen sen abgeschlossen und wird schafft für Suhr und für die um- personal geduldet. Nimmt Frau setzt werden. Fairerweise muss
wir als Departement zahlreiche die Brücke ein Wahrzeichen für liegenden Gemeinden einen die helvetische Geschichte et- ich allerdings sagen, ist die weib-
Raumplanungs-, Verkehrs- und Aarau? Mehrwert. was genauer unter die Lupe, so liche Vakanz in der Teppichetage
Mobilitätsprojekte um. Hinzu Ja, die neue Aarebrücke ist ein zeigt sich schwarz auf weiss: Die ein Umstand, den die Frauen oft-
kommen grosse Programme wie Unikat und hat Chancen, der Welche persönlichen Ziele ha- Schweizer Geschichte steckt vol- mals selbst zu verantworten ha-
das erwähnte Förderprogramm Hauptstadt ein neues Wahr- ben Sie sich für Ihr Department ler mythischer Männerbünde. ben. Denn Gleichberechtigung
Energie im Gebäudebereich, das zeichen zu geben. Bei der in diesem Jahr gesetzt? Die Eidgenossen habe die Ge- und weibliche Selbstbestimmung
Massnahmenpaket zur Behe- neuen Aarebrücke sind die Ab- Intern möchte ich für unsere schichte unseres Landes in gros- haben wir Frauen selbst in der
bung der Waldschäden, das Na- brucharbeiten praktisch abge- Mitarbeitenden die Bedingun- ser Selbstgenügsamkeit und Hand. Frauen dürfen das Inter-
turschutzprogramm Wald oder schlossen und die Bauarbei- gen schaffen, dass sie die ak- Selbstüberschätzung so umge- esse an Politik nicht den Männern
das Programm «Natur 2030». ten im Untergrund in Gange. tuelle Coronakrise gut meis- deutet, dass sie auf ihre Rolle als überlassen. Doch es gibt bezüg-
Beim Rückbau der bestehen- tern. Dann werde ich mich na- Oberhaupt und «Alleinherrscher» lich Gleichstellung von Mann und
Mit «Natur 2030» wollen Sie den Brücke wurden asbesthal- türlich weiterhin als oberster zugeschnitten ist. Die Selbstherr- Frau noch viel zu tun – so haben
die Natur im Aargau fördern. tige Rohre gefunden. Der sach- politischer Vertreter des De- lichkeit der Schweizer Männer wir immer noch keine Lohngleich-
Welche Bedeutung hat dieses gerechte Rückbau nahm Zeit partements auf allen Ebenen bestimmte lange unser Land. Mit heit in der Schweiz. Hoffen lässt
Mehrjahresprogramm für die in Anspruch. Zudem waren die dafür einsetzen, dass unsere diesem Hintergrund ist der runde die neue Generation Männer, die
Fauna und Flora im Aargau und Gewölbekeller der Triumphbö- Geschäfte und Projekte be- Geburtstag des Frauenstimm- in der Regel anders tickt als ihre
was wird konkret mit dem 16,5 gen der Aarebrücke von 1850, schlossen und umgesetzt wer- rechtes eher ein Grund zum Heu- Vorfahren. Junge Männer legen
Millionen Franken gemacht? die mit dem Bau der Brücke den; und dass die Rahmenbe- len, denn zum Feiern. grossen Wert auf Gleichberechti-
Die im Aargau noch vorhande- aus dem Jahre 1948 nicht zu- dingungen stimmen, um unse- gung. Wir alle – egal ob Frau oder
nen naturnahen Lebensräume rück gebaut worden sind, grös- ren Kanton weiter zu stärken. Dieses ziemlich beschämende Mann – müssen am selben Strick
für Fauna und Flora sind zu ser als angenommen. Damit Als Präsident der Bau-, Pla- Kapitel der Schweizer Gesichte ziehen, und Sorge zur Gleich-
klein, oft durch intensive Nut- der Verkehr stets ohne Behin- nungs- und Umweltdirekto- passt schlicht und einfach nicht berechtigung tragen, aber auch
zungen beeinträchtigt und zu derungen die Brücke passieren renkonferenz BPUK werde ich in das Bild eines demokratischen schauen, dass sie weiter voran-
wenig gut miteinander vernetzt. kann, mussten Provisorien er- auch auf Bundesebene die In- Vorzeigestaates. Das fehlende getrieben wird – nur so können
Der Klimawandel gefährdet be- stellt werden, um den nötigen teressen unseres Kantons ein- Frauenstimmecht wurde für die wir diese Welt zum Wohle aller ein
sonders jene Arten, die auf in- Platz zu schaffen. Zudem wur- bringen. Die Herausforderungen Schweiz allmählich zum Image- Stückchen besser machen.
takte Feuchtgebiete angewie- den Abweichungen in der Geo- habe ich genannt – wir werden problem. Denn Hand aufs Herz:
sen sind, zusätzlich. Hier leis- logie angetroffen, weshalb die auch dieses Jahr alles daranset- Mit Staaten wie Saudi-Arabien Herzlichst,
tet das Programm «Natur 2030» Hilfskonstruktionen tiefer als zen, diese zu meistern. verglichen zu werden, schmerzt Ihre Corinne Remund
einen wichtigen Beitrag. Be- geplant fundiert werden muss- in der Vorzeigedemokratie dann Verlagsredaktorin
stehende Schutzgebiete werden ten. Interview: Corinne Remund