Page 3 - Badener Woche - KW 26 - 2022
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DIENSTAG, 28. JUNI 2022 SEITE 3
FORTSETZUNG
Zum Zweiten sei das Image des
Handwerkerberufs bei jungen
Leuten nicht besonders gut. Mit spitzer Feder …
«Je mehr ein Beruf mit Körper-
arbeit, Kraft und schwieligen
Händen verbunden ist, desto
tiefer der Status der Person, die Das Glück
ihn ausübt», so Stamm. Gerade
die heutige, von den Social Me-
dia beeinflusste Generation su- liegt vor
che extrem nach Anerkennung
und Bestätigung. Es ist auch ein
gesellschaftliches Problem, was der Haustüre
für einen Stellenwert die ver-
schiedenen Berufe haben. Das Bild: © Adrian Ehrbar
sitzt in den Köpfen der Leute Impressionen vom KMU-Event in der Schoop + Co. AG zum Thema Handwerker- Die Pandemie macht Pause essant sein. Was ich aber ei-
fest. Innen-Mangel und die Reiselust von Herrn gentlich sagen wollte: Wir su-
und Frau Schweizer ist grös- chen unser Glück manchmal
Wertschätzung und finden. Und auch in den Fa- dem baut er die Abteilung So- ser denn je – es ist geradezu viel zu weit weg.
Quereinstiegsmöglichkeiten milien das Image des Hand- laranlagen auf. Matzelt schliesst ein Reisefieber ausgebro-
Wie kann man Fachkräfte ge- werkerberufs wieder mehr an demnächst die Polierschule ab. chen. Kaum waren die ersten Reisen ist die Metapher fürs
winnen und halten? Stamm Bedeutung gewinnen. «Wir ver- «Unsere Arbeit ist schön, ab- Lockerungen in Kraft, stürm- Leben – vom Geburtskanal bis
präsentiert Auszüge aus einer lieren viele Leute, die eigent- wechslungsreich und wir wer- ten Armeen von Reisewütigen zur letzten grossen Reise, die
ETH-Studie. Wenn ein Beruf lich viel besser positioniert wä- den wertgeschätzt», meinen Strände, Berge und Seen. Rei- durch den Tunnel zum Licht
Arbeitsvielfalt zeigt und we- ren, wenn sie in einer höheren beide und wirken glücklich. Zu- sen hat noch nie zu meinem und damit zu Gott führen soll.
nig Automatisierung, gibt es Berufsbildung wären», meint dem seien sie in einem Unter- Hobbie gehört – mein Bewe- Aber wahr ist auch: Das Le-
seltener Berufswechsel. Der sie. Weil heutzutage Menschen nehmen mit einem tollen Fami- gungsradius ist eher klein und ben glänzt zu Hause, oder es
Wunsch nach Vereinbarkeit nicht mehr 30 bis 40 Jahre im lien-Spirit angestellt, bestätigen ich weiss nicht, wenn ich zum glänzt nirgendwo. Nun ist das
mit der Familie ist grösser ge- selben Beruf blieben, müsse es sie die Worte von CEO Adrian letzten Mal die Landesgren- Fernweh einmal in der Welt,
worden. Auch die Wertschät- auch vermehrt Quereinsteiger- Schoop. Dieser sieht die Krise zen überquert habe. Viele von das Reisen, die Lust auf Aben-
zung ist enorm wichtig und programme geben. auch als Chance: «Ich denke uns fahren in die Ferien oder teuer und Entdeckung scheint
wird von der jungen Genera- durch den Fachkräftemangel wandern gar aus auf der Su- uns Menschen innezuwohnen
tion sogar noch vor dem Lohn Durch den Mangel wird das Handwerk wieder sei- che nach Sandstränden und – denn so alt wie die Mensch-
genannt. Ein gutes Klima in der steigt der Stellenwert nen sprichwörtlichen golde- stahlblauem Meer. Doch ha- heit ist das Nomadentum.
Firma, wie es die Schoop + Co. In der von Katia Röthlin gelei- nen Boden bekommen und an ben wir in der Schweiz nicht
AG hat, ist wichtiger denn je. teten Podiumsdiskussion kom- Bedeutung gewinnen. Endlich schon alles, was wir brau- Ich reise oft und jeden Tag:
Stamm empfiehlt, dass jeder men die Schoop-Mitarbeiter merkt die Öffentlichkeit wie- chen? Reisen öffnet den Ho- Aber eben anders: Ich reise zu
Betrieb die Arbeitsbedingun- Thomas Zbinden und Janick der, wie wichtig Handwerkerin- rizont und lässt einen viele mir selbst, innerlich, in meinen
gen für seine Mitarbeitenden Matzelt sowie Joachim Lorch, nen und Handwerker für einen Dinge in einer neuen Rela- Träumen. Die schönsten Rei-
reflektiert, um die «Haltekraft» CEO & Delegierter des Verwal- reibungslosen Alltag sind. Ihre tion sehen. Aber das tun Do- sen sind für mich, mit all mei-
zu stärken. Und zudem mehr tungsrates der Hächler-Gruppe, Leistungen werden besser be- kus auch, und die machen nen wunderbaren Büchern in
berufsbegleitende Weiterbil- zu Wort. Lorch plädiert wie zahlt, und sie bekommen den den ökologischen Fussab- die Welt der Geschichten und
dungen nutzbar gemacht wer- Schoop für flache Hierarchien. Stellenwert, den sie eigentlich druck nicht zu «Sie benötigen Mythen einzutauchen. Hier er-
den. Bezüglich Akademisie- Zbinden ist erst seit zwei Jah- schon seit langem verdienen.» 2,5 Erden». Reisen ist teuer lebe ich unendlich viele Aben-
rung müsse ein Wandel in den ren bei Schoop und bereits und anstrengend, und man teuer: Ich reise zum Mond
Köpfen der Gesellschaft statt- Teamleiter der Spenglerei. Zu- Ursula Burgherr ist in Ländern unterwegs, wo und zurück – durch Epochen
man die ganze Zeit hofft, es und verschiedene Zeitalter, so
möge nichts Unvorhergese- dass Vergangenheit, Gegen-
henes geschehen. Deshalb wart und Zukunft verschmel-
nimmt man auch eine perfekt zen. Dies sind zauberhafte und
ausgerüstete Reiseapotheke fantastische Reisen, die mich
mit. Man hat ständig irgend- begeistern, mich mit positiver
wie Angst um sein Porte- Energie versorgen, die mich la-
monnaie oder seine Darm- ben und weiterbilden – Seelen-
flora, aber dafür kann man im nahrung pur und eine Lebens-
Meer baden und neue Kultu- schule für Geist und Seele.
ren kennenlernen. Mir ist das
irgendwie zu umständlich, zu Und Hand aufs Herz: Am
aufwändig. Schönsten ist es einfach Zu-
hause. Wir leben in einem
Es beginnt schon beim Pa- Land mit einer solch wunder-
cken: Es ist nicht meine Stärke schönen, vielseitigen Land-
Bild: ub Bild: ub
und jedes Mal das gleiche Di- schaft. Hier gibt es auf relativ
lemma: Bis zur letzten Minute kleinem Raum so viel zu erle-
schiebe ich das Packen hin- ben. Am glücklichsten bin ich,
aus. Entweder vergesse ich wenn ich ein neues Schloss
etwas, habe zu wenig dabei entdecke, auf dem Dampf-
oder das Falsche eingepackt. schiff über den Vierwaldstät-
In diesen Momenten wün- tersee gleite, den Hausberg
sche ich mir immer eine Su- meiner kleinen Stadt durch-
perkraft: Einfach alles beamen streife, den Kühen im Emmen-
zu können, was ich grad brau- tal beim Grasen zu schaue
che. Und die Anfahrt – egal, oder meine Runden in meinem
ob per Auto oder per Zug (per geliebten Oberaargau ziehe.
Flugzeug ist schon gar keine Was will ich noch mehr – der
Option) – das ganze Bagage, Zauber der Natur, des Lebens
schleppen, prüfen, ob alles da und der Schöpfung liegen zum
ist, umsteigen, im Stau ste- Greifen nah vor meiner Haus-
hen, WC suchen etc. – rei- türe. Ich wäre ja doof, würde
sen ist ätzend – definitiv nicht ich dieses unglaubliche Privileg
mein Ding! Bei mir löst es nur nicht voll auskosten!
Gänsehaut aus. In Alaska
zu fischen, mag entzücken. Herzlichst,
Die Serengeti zu durchstrei- Ihre Corinne Remund
fen, mag auch erfreuen. Auf Verlagsredaktorin
den Spuren der Aborigines
zu wandeln, mag auch inter-
Bild: © Adrian Ehrbar