Page 3 - Laufenburger Woche - KW 15 - 2021
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DIENSTAG, 13. APRIL 2021 SEITE 3
FORTSETZUNG
Was sind die momentanen He- eine bemerkenswerte Flexibi- ten und sie durch einen Ein-
rausforderungen beim neuen lität zeigen. Freude bereitet blick in Ihren Betrieb in der
Aargauer Lehrplan? mir auch, dass die Schülerin- Berufswahl zu unterstützen. Mit spitzer Feder …
Der neue Lehrplan beinhaltet nen und Schüler sich mit der
verschiedene neue Fächer wie speziellen Situation gut arran- In den Kantonen Zürich und
zum Beispiel 'Medien und In- giert haben und mit ihrem ver- Basel erhalten die Kultur-
formatik' ab der 5. Klasse der antwortungsvollen Verhalten schaffenden für drei Monate Entrümpeln war
Primarschule oder 'Wirtschaft, den Schulbetrieb unterstüt- ein vorübergehendes Grund-
Arbeit, Haushalt' an der Ober- zen. Unser grosses gemeinsa- einkommen. Plant der Kanton gestern – Shoppen
stufe und löst in den Schulen mes übergeordnetes Ziel ist Aargau auch ein solches Unter-
generell einen pädagogischen und bleibt, dass wir den Prä- stützungsprogramm und ist ist heute!
Entwicklungsprozess aus. Die senzunterricht aufrechterhal- dies nicht ein zweischneidiges
Pädagogische Hochschule der ten können. Schwert?
Fachhochschule Nordwest- Der Kanton Aargau hat für Kul- Mit einem grossen Andrang läu- beruhigten Monaten dürsten viele
schweiz unterstützt die Lehr- Wie halten Sie das Coronavirus turschaffende seit Beginn der teten Konsumenten den ersten nach ein wenig Exzess, notfalls
personen und die Schulen da- in den Volks-, aber auch Matu- Pandemie bereits zwei Unter- Tag nach dem Ende des zwei- auch via virtuellen Einkaufskorb.
bei mit diversen Weiterbil- ritäts- und Berufsschulen er- stützungspakete lanciert. Diese ten Laden-Lockdowns anfangs Psychologen liefern dazu plau-
dungs- und Beratungsangebo- folgreich in Schach? bauen auf Ausfallsentschädi- März ein. Lange Schlangen bil- sible Erklärungen für das gestei-
ten. Die Massnahmen, die vom Bun- gungen auf, berechnet nach na- deten sich vor den Ikea-Stores, gerte Kundenbedürfnis während
desrat, den Gesundheitsbehör- tionalen Vorgaben. Ein Wech- dem Shoppi Tivoli in Spreitenbach der Krise: Kaufen sei ein Versuch,
Was sind weitere Reformen in den oder dem Aargauer Re- sel der Berechnungsform hin und vor dem H&M an der Zürcher die Kontrolle zurückzugewinnen.
der Aargauer Schullandschaft, gierungsrat verordnet wer- zu einem vorübergehenden Bahnhofstrasse. Auch die Pande- Der Bestellbutton als tröstender
die unmittelbar in Angriff ge- den, haben immer den Schutz Grundeinkommen wie es die mie kann daran nichts ändern – Beweis, dass es auf dieser Welt
nommen werden müssen? des Schulpersonals sowie der Kantone Zürich und Basel tem- bei vielen ist das Shooping-Fieber noch Dinge gibt, die so funktio-
Da gibt es vieles zu sagen! Auf Schülerinnen und Schüler und porär vorsehen, plant der Aar- ausgebrochen. Dies ganz nach nieren wie wir uns das vorstellen.
dieses Schuljahr hin konnten die Aufrechterhaltung des Prä- gau wie auch die allermeisten dem Motto «Entrümpeln, das war Ebenso ist der Kaufrausch ein Akt
an der Volksschule zwei bedeu- senzunterrichts zum Ziel. Da- anderen Kantone nicht. in der ersten Welle. Jetzt shoppen des Optimismus – wer sich jetzt
tende und sorgfältig vorberei- her sind zum Beispiel das Ein- wir». Ich, die ohne Einschränkun- mit elegantem Schuh eindeckt,
tete Vorhaben eingeführt wer- halten der Hygieneregeln und Wie würden Sie die Kulturland- gen durchgearbeitet und vor Ort glaubt daran, dass es bald wie-
den: Der neue Aargauer Lehr- insbesondere die Maskentrag- schaft des Aargaus beschrei- die Stellung gehalten habe, be- der Gelegenheit gibt, sich feinzu-
plan sowie die neue Ressour- pflicht ab den 5. Klassen der ben, respektive wo findet man komme nach dem Lockdown je- machen.
cierung, die den Schulen bei Primarschule sowie für das ge- die Perlen? weils einen Schub von Klaustro-
der Verwendung der finanziel- samte Schulpersonal beson- Im Aargau bilden die Klein- phobie. Nur mit Mühe gewöhne Wir wollen also kaufen. Ist das
len Mittel mehr Gestaltungs- ders wichtig. Natürlich hoffe städte in den Regionen die kul- ich mich wieder daran, dass die schlimm? Nein. Die Wirtschaft an-
raum ermöglicht. Zudem wurde ich, dass wir die Schutzmass- turellen Ankerpunkte mit einer Einkaufsmeilen und Strassen nicht kurbeln und den gebeutelten De-
die kantonale Qualitätskont- nahmen mit der Zeit wieder lo- lebendigen Kulturszene und leergefegt sind. Momentan hat es taillisten unter die Arme greifen,
rolle eingeführt, die die externe ckern können, doch gilt es wei- einer vielfältigen Kulturland- überall Menschen. Da wird gestö- ist wohl das Beste, was wir tun
Schulevaluation abgelöst hat. terhin vorsichtig zu sein. Zu- schaft. In unserem Kanton gibt bert, begutachtet, probiert, ent- können. Dabei gilt es auch nach-
dem planen wir grossflächig es ausserdem herausragende deckt, gerempelt, gestresst etc. sichtig mit uns selbst zu sein. Die-
Zusätzlich bereiten wir aktuell freiwillige repetitive Tests an kulturhistorische Schätze, wie Das kollektive «Packen wir`s an!» ser Frühling ist auch für mich –
im Bereich der Volksschule in Schulen, um frühzeitig lokale die zum UNESCO-Welterbe ge- und Entrümpeln im letzten Früh- obwohl ich als Ordnungsfanati-
ausgewählten Gemeinden Pi- Ausbrüche des Coronavirus zu hörenden Pfahlbauten im Hall- ling ist schon lange vorbei. Kleider kerin nicht meine Wohnung auf
lotprojekte vor zur Deutschför- erkennen und die damit ver- wilersee, das Erbe der Römer und Schränke sind ausgeräumt den Kopf gestellt habe, weil es
derung vor dem Kindergarten. bundenen Klassenquarantänen und Habsburger oder die prä- und der getaktete, überfrachtete schlichtweg nichts aufzuräumen
Wie bereits angesprochen wird oder gar Schulschliessungen genden Zeugnisse der Indust- Alltag ist längst entschleunigt. Die gab – anders. Er symbolisiert das
derzeit in den Gemeinden auf möglichst vermeiden zu kön- riegeschichte. Hinzu kommen Pause aus der Überflussgesell- Licht eines langen, dunklen Tun-
Anfang 2022 die Ablösung der nen. weit über den Aargau hinaus- schaft scheint vorbei zu sein. «Es nels. Und so liebäugle ich damit,
Schulpflegen durch den Ge- strahlende Institutionen wie geht auch ohne Konsum» – das meine vorwiegend schwarz, grau
meinderat vorbereitet. Ebenso Gerade auch die Berufsbildung das Stapferhaus in Lenzburg, war gestern! und dunkel gehaltene Garderobe
tritt auf dann gesamtkantonal leidet arg unter Corona, sprich das Aargauer Kunsthaus und mit neuen, knalligen Farben auf-
ein neues Lohnsystem für die Schnuppern, Lehrabschluss- natürlich Museum Aargau mit Viele sitzen in ihren aufgeräum- zupeppen. Corona zu verdanken
Lehrpersonen und Schullei- prüfungen etc. Was unter- seinen historischen Standor- ten Wohnungen und schauen in sind auch die vielen Grünpflan-
tungen in Kraft, mit welchem nimmt der Kanton, damit Ler- ten. Ich kann nur sagen: eine ihre ordentlichen Schränke, aber zen und Sukkulenten, die meine
die Wettbewerbsfähigkeit der nende und Lehrabgänger in Entdeckungsreise durch unse- das Hygge-Gefühl will sich trotz- Fensterbank zieren. Der Gang
Aargauer Löhne wieder deut- diesem Jahr dieselben Chan- ren Kanton lohnt sich für Jung dem nicht einstellen. Stattdes- ins Blumengeschäft war für mich
lich verbessert wird. Und fort- cen für eine berufliche Zukunft und Alt! sen diese leichte innere Unruhe. aber viel mehr, als mir bloss eine
laufend gilt es, die Möglichkei- haben wie ihre Vorgänger? Dieses Gefühl, auf die Piste zu grüne Oase in der Stube einzu-
ten der Digitalisierung in den Der Kanton Aargau hat be- Welche persönlichen Ziele ha- müssen, etwas da draussen ver- richten. Sozialer Kontakt und Psy-
Schulen in geeigneter Form zu reits früh die Auswirkungen ben Sie sich für Ihr Department passen zu können. Dabei helfen chohygiene standen dabei im Vor-
nutzen. der Corona-Pandemie auf die in diesem Jahr gesetzt? auch die entschleunigenden «Ich- dergrund. Denn allein schon der
Berufsbildung und die berufli- Aktuell steht in meinem De- mach-was-mit-den-Händen»- Austausch und das Plaudern mit
An den Mittelschulen müssen che Orientierung der Jugendli- partement wie auch in der Ge- Dinge nicht mehr. Jetzt steht vie- der Floristin ist ein Höhepunkt im
wir uns auf das grosse demo- chen erkannt. Wir haben früh samtverwaltung des Kantons len, der «in den vier Wänden Ein- Corona-Alltag eines Singles. Un-
grafische Wachstum der Schü- die betroffenen Verbände kon- Aargau die Unterstützung aller geschlossenen» – ich gehöre nicht ter demselben Kapitel abgebucht
lerzahlen mit über 30 Prozent taktiert und gemeinsam Unter- Betroffenen in der Bewältigung dazu – der Sinn nach oberflächli- werden können auch die zahlrei-
in den kommenden 25 Jahren stützungsmassnahmen auf die der Coronakrise im Zentrum. cher Zerstreuung. Und sei es ziel- chen Tulpensträusse, die ich mir
vorbereiten. Dazu sind zwei Beine gestellt. So sind unter Im Bereich der Volksschule ist los durch Geschäfte und Shop- gleich bundweise wöchentlich in
neue Kantonsschulen vorgese- anderem bei den Gesundheits- nach den diversen Reformen pingmeilen zu schlendern, Dinge die Stube hole. Corona macht ja
hen, eine im Fricktal und eine und Bewegungsförderungsbe- und Projekten nun dringend anzuschauen, die man sich nicht verheerend dumpf. Man lebt so
im Aargauer Mittelland. rufen, der Veranstaltungsbran- eine Phase der Konsolidierung leisten kann, respektive auf Pump dahin, nimmt überhaupt alles mit
che und auch in der Aargauer angesagt. Und im Bereich der kauft. Also her mit dem Desig- viel Gelassenheit so hin. Die Tage
Wie hat bis jetzt die Aargauer Gastronomie und Hotellerie Mittelschulen steht dieses Jahr nerhocker und der überteuerten fliessen ineinander zu einem einzi-
Schullandschaft Corona über- tolle Praxis-Projekte realisiert die Diskussion und Festlegung Porzellanvase, und eine schicke, gen, klebrigen, unübersichtlichen,
standen, wie sieht da Ihre Bi- worden. des Standorts sowie der Start neue Hose für die Zeit nach dem sich ständig wiederholenden Co-
lanz aus? zur Projektierung einer Kan- Homeoffice ist jetzt unabdingbar. rona-Teppich. Aber dann der
Äusserst positiv. Trotz den wid- Apropos Schnuppern: Auf- tonsschule im Fricktal im Vor- Man schämt sich erst ein wenig – Farbtupfer: Tulpen und Primeln –
rigen und erschwerenden Um- grund der geltenden Schutz- dergrund. Diese soll ihren Be- hält man es wirklich ohne Konsum bunt, fröhlich, keck und hoff-
ständen mit vielen einzuhal- massnahmen sind viele Fir- trieb im Schuljahr 2029/30 auf- nicht aus? – und stellt dann fest: nungsvoll. Eben Frühling – Hoff-
tenden Schutzmassnahmen, men und Branchen derzeit lei- nehmen. Anderen geht es ähnlich. Fragt nung, Optimismus. Die mildern
Quarantäneanordnungen und der sehr zurückhaltend mit man im Bekanntenkreis nach, be- Temperaturen, die ersten Son-
phasenweise gar Fernunter- dem Anbieten von Schnupper- richten viele von einer grossen, nenstrahlen auf der Haut sind das
richt, meistern die Aargauer lehren und Praktika. Ich richte Interview: Corinne Remund unbändigen Lust zu shoppen, und Pünktchen auf dem i für mich –
Schulen die Coronapandemie daher einen starken Appell an zwar nicht in erster Linie die prak- Corona hin oder her.
sehr gut. Ein grosser Dank gilt die Verantwortlichen in den tischen, nützlichen Dinge – vom
allen Lehrpersonen, Schul- Firmen, den Jugendlichen, die Grossverteiler haben wir die Nase Herzlichst,
leitungen und Verantwortli- nun mitten im Berufsfindungs- voll –, sondern: Schönes, Luxuri- Ihre Corinne Remund
chen vor Ort, die ein ausser- prozess stehen, trotz Corona- öses. Nach den langen zwangs- Verlagsredaktorin
ordentliches Engagement und Einschränkungen Hand zu bie-