Page 20 - Reinacher Woche - KW 31 - 2021
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Seite 20 Dienstag, 3. August 2021
Biodiversität macht glücklich
In der Bözenegg oberhalb Schinz- Im Winter 2020 begann der Aushub
nach-Dorf entsteht ein neues Refu- der ersten fünf grösseren Amphi-
gium für viele seltene Tier- und bientümpel. Die dafür nötige Fläche
Pflanzenarten. wurde zuvor einer Erbengemein-
schaft abgekauft und ist heute ein
Die sonnenverwöhnte Landschafts- Naturschutzgebiet von Pro Natura
kammer der Bözenegg liegt ober- Aargau. Die erste Etappe der Tüm-
halb des Südportals des Bözberg- pelgestaltung konnte noch vor
tunnels und erstreckt sich über eine Weihnachten abgeschlossen wer-
Fläche von rund 14 Fussballfeldern. den. Die zweite Etappe dauerte bis
Die für den Jurasüdfuss einst typi- in den Frühling 2021.
sche Landschaftsprägung ist hier
noch gut ablesbar. Hochstamm- Mit den starken Schnee und
obstbäume stehen locker verteilt Regenfällen in der zweiten Winter-
inmitten einer gegen den Wald- hälfte füllten sich die Tümpel viel
rand hin immer steiler werdenden schneller als erwartet und wur-
artenreichen Fromentalwiese. Alte den zur grossen Freude des Pro-
zerfallene Trockenmauern bieten jektleiters bereits in ihrem ersten
Mauereidechsen wertvolle Lebens- Frühling vom Grasfrosch und der
räume und im Halbschatten eines Gelbbauchunke angenommen. Erst
grossen Nussbaumes wächst die vor wenigen Wochen entstiegen
seltene Spitzorchis. Bilder: zVg den Tümpeln tausende kleine Gras-
Eine verwunschene ruhige Ecke in Sichtweite der Autobahn. frösche und wenig später auch dut-
Mehr Leben zende kleine Gelbbauchunken.
2017 ging einer der Grundeigen Aufwertungsmassnahmen war die insektenreiche Wasserstellen. And- für Amphibien ein. Zudem sollten
tümer der Bözenegg auf Pro Natura Nähe der Bözenegg zum Amphi- res Beck, FledermausSchutzbeauf- die Trockenmauern etappenweise Nächtliche Überraschungen
Aargau zu. Das Anliegen: Mehr bienlaichgebiet Eriwis. Diese nur tragter des Kantons Aargau, gibt saniert werden können und mehrere Doch damit nicht genug. Die
Biodiversität auf seinen Landwirt- 500 Meter entfernte ehemalige der Bözenegg gute Chancen, als Steinlinsen und Heckengruppen in Erfolgskontrolle zur Annahme der
schafts und Waldflächen – mehr Lehmgrube ist heute ein Birdlife Lebensraum dieser sehr seltenen Zukunft die Vernetzung der seltenen Tümpel als Trinkstelle für seltene
von all dem Leben, das die Böze- Naturschutzgebiet und geniesst als Fledermausart zu dienen. Kulturlandarten noch verbessern. Fledermäuse war zur Freude aller
negg so besonders macht. wichtiger Lebensraum der Geburts- Zusammenfassend wurde die För- Beteiligten begleitet von den hel-
derung der Gelbbauchunken, des Neues Naturschutzgebiet len Rufen der Geburtshelferkröte –
Glögglifrosches, der Schlingnatter als Amphibienparadies auch diese heimliche Art hat das
und der Grauen Langohren als erste Der Startschuss der Umsetzung neue Schutzgebiet bereits gefun-
Ziele formuliert. erfolgte im CoronaSommer 2020. den. Es gilt abzuwarten, ob erste
Mit schwerem Gerät, aber auch mit Larven in den Tümpeln entdeckt
In Zusammenarbeit mit der Abtei- viel Handarbeit wurde mit dem Bau werden können.
lung Landschaft und Gewässer von acht grossen Steinlinsen und
des Kantons Aargau und des Jura- der Pflanzung von rund 200 Metern Breite Unterstützung
park Aargau nahm das Aufwer- dornen und beerenreichen Hecken- für Artenschutz
tungsprojekt langsam Form an. Im streifen begonnen. Die Zivildienst- Um solch umfassende Aufwer-
Frühling 2020 reichten Pro Natura leistenden von Pro Natura Aargau tungsmassnahmen zu ermögli-
Aargau und der Jurapark Aargau wurden dabei durch den Forst- chen, brauchen Pro Natura Aargau
gemeinsam ein Auflageprojekt für betrieb HombergSchenkenberg und der Jurapark Aargau finan-
14 unterschiedliche Laichgewässer mechanisiert unterstützt. zielle Unterstützung. Das breit
abgestützte Aufwertungsprojekt
kostete rund 200'000 Franken und
Die Gelbbauchunke ist eine Charakterart kleiner, offener Gewässer, die sich wurde finanziert vom Naturemade
in der Sonne rasch erwärmen. Star Fonds von ewz und Alpiq, der
Stiftung Umweltengagement, der
Die creaNatira GmbH, eine Tochter- helferkröte und der ebenfalls stark Stierli Stiftung, einer Sammelak-
firma von Pro Natura Aargau, nahm gefährdeten Gelbbauchunke natio- tion der Jugendgruppe Jugend
sich dem Wunsch an und lancierte nalen Schutz und Vernetzungsprio- United Siggenthal sowie vom Kan-
ein entsprechendes Artenförde- rität. ton Aargau.
rungsprojekt.
Als weitere zentrale Tierfamilie Mehr zu den Förderarten unter:
Nachdem eine grobe Übersicht über kamen die Fledermäuse ins Spiel. www.karch.ch
die bestehenden Naturwerte bestan- Die in Thalheim noch vorkom- www.fledermausschutz.ch
den hatte, wurde mit der Erhebung menden Grauen Langohren sind
des Ausgangszustandes begonnen. in der Schweiz vom Aussterben
Mit dem Fokus auf seltene Schlan- bedroht und dringend auf struktur Philipp Schuppli,
gen und Eidechsen untersuchte und insektenreiche Lebensräume Umweltingenieur und Projektleiter
Noah Meier, Reptilienspezialist bei angewiesen. Sie lieben blumenrei- bei der creaNatira GmbH
creaNatira, als erstes die bestehen- che Wiesen mit Hochstammobst-
den Trockensteinmauern. Diese bäumen, buchtige Waldränder und
alten versteckreichen Steinmau-
ern dienen als Ersatzlebensraum
für wärmeliebende Reptilienarten.
Bereits nach wenigen Wochen konn-
ten sehr erfreuliche Funde gemacht
werden! So wurden in einer erst vor
20 Jahren durch creaNatira erstell-
ten Trockenmauer zwei sehr sel-
tene Schlingnattern nachgewiesen
und der Eigentümer konnte in seiner
Gartenmauer die stark gefährdete
Geburtshelferkröte – im Volks-
mund Glögglifrosch – akustisch auf-
zeichnen. Zwei Erfolge, welche das
Potential von Fördermassnahmen
unterstrichen.
Von Glögglifröschen und Grauen
Langohren
Diese Funde wurden massgebend
für die weiteren Planungsarbei- Die sehr seltene Schlingnatter ist völlig harmlos. Sie kommt nur vor, wo es Symphonie in blau und lila: Salbei und Skabiosen «Gufechüsseli» sind
ten. Ebenfalls zentral für mögliche viele Eidechsen und Blindschleichen hat. typisch für Fromentalwiesen