Page 20 - Reinacher Woche - KW 31 - 2021
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                                                    Biodiversität macht glücklich




          In der Bözenegg oberhalb Schinz-                                                                                                     Im Winter 2020 begann der Aushub
          nach-Dorf entsteht ein neues Refu-                                                                                                   der  ersten  fünf  grösseren  Amphi-
          gium  für  viele  seltene  Tier-  und                                                                                                bientümpel. Die dafür nötige Fläche
          Pflanzenarten.                                                                                                                       wurde  zuvor  einer  Erbengemein-
                                                                                                                                               schaft abgekauft und ist heute ein
          Die sonnenverwöhnte Landschafts-                                                                                                     Naturschutzgebiet von Pro Natura
          kammer der Bözenegg liegt ober-                                                                                                      Aargau. Die erste Etappe der Tüm-
          halb des Südportals des Bözberg-                                                                                                     pelgestaltung  konnte  noch  vor
          tunnels und erstreckt sich über eine                                                                                                 Weihnachten  abgeschlossen  wer-
          Fläche von rund 14 Fussballfeldern.                                                                                                  den. Die zweite Etappe dauerte bis
          Die für den Jurasüdfuss einst typi-                                                                                                  in den Frühling 2021.
          sche  Landschaftsprägung  ist  hier
          noch  gut  ablesbar.  Hochstamm-                                                                                                     Mit  den  starken  Schnee­  und
          obstbäume  stehen  locker  verteilt                                                                                                  Regenfällen in der zweiten Winter-
          inmitten einer gegen den Wald-                                                                                                       hälfte füllten sich die Tümpel viel
          rand hin immer steiler werdenden                                                                                                     schneller  als  erwartet  und  wur-
          artenreichen Fromentalwiese. Alte                                                                                                    den  zur  grossen  Freude  des  Pro-
          zerfallene  Trockenmauern  bieten                                                                                                    jektleiters  bereits  in  ihrem  ersten
          Mauereidechsen wertvolle Lebens-                                                                                                     Frühling  vom  Grasfrosch  und  der
          räume und im Halbschatten eines                                                                                                      Gelbbauchunke angenommen. Erst
          grossen  Nussbaumes  wächst  die                                                                                                     vor wenigen Wochen entstiegen
          seltene Spitzorchis.                                                                                                        Bilder: zVg  den Tümpeln tausende kleine Gras-
                                           Eine verwunschene ruhige Ecke in Sichtweite der Autobahn.                                           frösche und wenig später auch dut-
                    Mehr Leben                                                                                                                 zende kleine Gelbbauchunken.
          2017  ging  einer  der  Grundeigen­  Aufwertungsmassnahmen war die  insektenreiche Wasserstellen. And-  für  Amphibien  ein.  Zudem  sollten
          tümer der Bözenegg auf Pro Natura  Nähe  der  Bözenegg  zum  Amphi-  res Beck, Fledermaus­Schutzbeauf-  die  Trockenmauern  etappenweise   Nächtliche Überraschungen
          Aargau  zu.  Das  Anliegen:  Mehr  bienlaichgebiet  Eriwis.  Diese  nur  tragter  des  Kantons  Aargau,  gibt  saniert werden können und mehrere  Doch  damit  nicht  genug.  Die
          Biodiversität  auf  seinen  Landwirt-  500  Meter  entfernte  ehemalige  der  Bözenegg  gute  Chancen,  als  Steinlinsen  und  Heckengruppen  in  Erfolgskontrolle  zur  Annahme  der
          schafts­ und Waldflächen – mehr  Lehmgrube  ist  heute  ein  Birdlife­  Lebensraum  dieser  sehr  seltenen  Zukunft die Vernetzung der seltenen  Tümpel  als Trinkstelle  für  seltene
          von all dem Leben, das die Böze-  Naturschutzgebiet und geniesst als  Fledermausart zu dienen.      Kulturlandarten noch verbessern.  Fledermäuse war zur Freude aller
          negg so besonders macht.         wichtiger Lebensraum der Geburts-  Zusammenfassend wurde die För-                                   Beteiligten begleitet von den hel-
                                                                            derung  der  Gelbbauchunken,  des     Neues Naturschutzgebiet      len Rufen der Geburtshelferkröte –
                                                                            Glögglifrosches, der Schlingnatter     als Amphibienparadies       auch  diese  heimliche  Art  hat  das
                                                                            und der Grauen Langohren als erste  Der  Startschuss  der  Umsetzung  neue  Schutzgebiet  bereits  gefun-
                                                                            Ziele formuliert.                 erfolgte im Corona­Sommer 2020.  den.  Es  gilt  abzuwarten,  ob  erste
                                                                                                              Mit schwerem Gerät, aber auch mit  Larven in den  Tümpeln entdeckt
                                                                            In  Zusammenarbeit  mit  der  Abtei-  viel Handarbeit wurde mit dem Bau  werden können.
                                                                            lung  Landschaft  und  Gewässer  von  acht  grossen  Steinlinsen  und
                                                                            des Kantons Aargau und des Jura-  der Pflanzung von rund 200 Metern      Breite Unterstützung
                                                                            park  Aargau  nahm  das  Aufwer-  dornen­ und beerenreichen Hecken-        für Artenschutz
                                                                            tungsprojekt langsam Form an. Im  streifen begonnen. Die Zivildienst-  Um  solch  umfassende  Aufwer-
                                                                            Frühling 2020 reichten Pro Natura  leistenden von Pro Natura Aargau  tungsmassnahmen  zu  ermögli-
                                                                            Aargau  und  der  Jurapark  Aargau  wurden  dabei  durch  den  Forst-  chen, brauchen Pro Natura Aargau
                                                                            gemeinsam  ein  Auflageprojekt  für  betrieb  Homberg­Schenkenberg  und  der  Jurapark  Aargau  finan-
                                                                            14 unterschiedliche Laichgewässer  mechanisiert unterstützt.       zielle  Unterstützung.  Das  breit
                                                                                                                                               abgestützte  Aufwertungsprojekt
                                                                                                                                               kostete rund 200'000 Franken und
          Die Gelbbauchunke ist eine Charakterart kleiner, offener Gewässer, die sich                                                          wurde finanziert vom Naturemade
          in der Sonne rasch erwärmen.                                                                                                         Star Fonds von ewz und Alpiq, der
                                                                                                                                               Stiftung  Umweltengagement,  der
          Die creaNatira GmbH, eine Tochter-  helferkröte und der ebenfalls stark                                                              Stierli  Stiftung,  einer  Sammelak-
          firma von Pro Natura Aargau, nahm  gefährdeten Gelbbauchunke natio-                                                                  tion  der  Jugendgruppe  Jugend
          sich dem Wunsch an und lancierte  nalen Schutz und Vernetzungsprio-                                                                  United Siggenthal sowie vom Kan-
          ein  entsprechendes  Artenförde-  rität.                                                                                             ton Aargau.
          rungsprojekt.
                                           Als  weitere  zentrale  Tierfamilie                                                                  Mehr zu den Förderarten unter:
          Nachdem eine grobe Übersicht über  kamen die Fledermäuse ins Spiel.                                                                           www.karch.ch
          die bestehenden Naturwerte bestan-  Die  in  Thalheim  noch  vorkom-                                                                     www.fledermausschutz.ch
          den hatte, wurde mit der Erhebung  menden  Grauen  Langohren  sind
          des Ausgangszustandes begonnen.  in  der  Schweiz  vom  Aussterben
          Mit dem Fokus auf seltene Schlan-  bedroht und dringend auf struktur­                                                                                Philipp Schuppli,
          gen  und  Eidechsen  untersuchte  und  insektenreiche  Lebensräume                                                                    Umweltingenieur und Projektleiter
          Noah Meier, Reptilienspezialist bei  angewiesen. Sie lieben blumenrei-                                                                        bei der creaNatira GmbH
          creaNatira, als erstes die bestehen-  che  Wiesen  mit  Hochstammobst-
          den  Trockensteinmauern.  Diese  bäumen, buchtige Waldränder und
          alten  versteckreichen  Steinmau-
          ern  dienen  als  Ersatzlebensraum
          für  wärmeliebende  Reptilienarten.
          Bereits nach wenigen Wochen konn-
          ten sehr erfreuliche Funde gemacht
          werden! So wurden in einer erst vor
          20 Jahren durch creaNatira erstell-
          ten  Trockenmauer  zwei  sehr  sel-
          tene  Schlingnattern  nachgewiesen
          und der Eigentümer konnte in seiner
          Gartenmauer  die  stark  gefährdete
          Geburtshelferkröte  –  im  Volks-
          mund Glögglifrosch – akustisch auf-
          zeichnen. Zwei Erfolge, welche das
          Potential  von  Fördermassnahmen
          unterstrichen.

          Von Glögglifröschen und Grauen
                    Langohren
          Diese Funde wurden massgebend
          für  die  weiteren  Planungsarbei-  Die sehr seltene Schlingnatter ist völlig harmlos. Sie kommt nur vor, wo es  Symphonie in blau und lila: Salbei  und Skabiosen «Gufechüsseli» sind
          ten. Ebenfalls zentral für mögliche  viele Eidechsen und Blindschleichen hat.                       typisch für Fromentalwiesen
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