Page 2 - Rheinfelder Woche - KW 4 - 2022
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SEITE 2                                                           WEITERBILDUNG                                                           DIENSTAG, 25. JANUAR 2022





                                Denkstrukturen und Wahrnehmungensfilter



                Wie man Systemische Gruppendynamik nutzen kann, um Gruppenprozesse zu analysieren und produktiv zu nutzen


         Der grosse Philosoph René Descartes prägte im Zusammen-                                                                               die Anwendung von Strategien
         hang mit dem Grundsatz des Zweifelns an der eigenen Er-                                                                               zur Nutzung einer Gruppen-
         kenntnisfähigkeit den Satz «Cogito ergo sum» (lateinisch für                                                                          dynamik und  das Verbessern
         «Ich denke, also bin ich.»). Vom Denken und Handeln profitie-                                                                         der  Führungskompetenz.  Wie
         ren – speziell in einer gruppendynamischen Situation – geht                                                                           gewinne ich Einfluss in einer
         aber nur, wenn man fähig ist, sein Handeln und Denken auch                                                                            Gruppe oder wie wirkt meine
         richtig zu analysieren. Zum Beispiel, indem man die eigenen                                                                           Art der Kommunikation? Dies
         Denkstrukturen und den persönlichen Wahrnehmungensfilter                                                                              sind Fragen, bei welchen die
         hinterfragt. Dabei helfen Leute wie Marina Schlosser, Traine-                                                                         Teilnehmenden neue Erkennt-
         rin für Gruppendynamik DGGO.                                                                                                          nisse gewinnen, sagt Marina
                                                                                                                                               Schlosser.
          Man stelle sich folgende Situ-   dorf und erleben so Teamgeist
          ation vor: Sie befinden sich in  und Gruppendynamik. Es geht                                                                           «Ich erlebe, also bin ich...»
          der Gebirgslandschaft zwischen  darum, den eigenen Handlungs-                                                                        Einprägsam sind Seminare wie
          Vorderrheinthal, Sernftal und  und Einflussspielraum zu erwei-                                                                       die «Expedition Iglu» im Lehr-
          Walensee – eine Gegend, die  tern», sagt Seminarleiterin Ma-                                                                         gang «Ausbilder/in mit eidg. Fach-
          aufgrund der einmaligen Ge-      rina Schlosser. Sie arbeitet seit                                                                   ausweis» (www.ausbilder.ch),
          birgsbildungsprozesse  auf  die  20 Jahren freiberuflich als sys-                                                                    weil da auch neue und vor al-
          Liste des UNESCO-Welterbes  temische Beraterin, Coach und                                                                            lem positive Erlebnisse prägend
          aufgenommen wurde. Hier er-      Trainerin in Behörden, sozia-                                                                Bild: zVg  wirken. Dem Trend nach erleb-
          lebt man während der «Expedi-    len Einrichtungen und in der  Einprägsam sind Seminare wie die «Expedition Iglu» im Lehrgang «Ausbilder/in   nispädagogischen Lerninhalten
          tion Iglu» der Lernwerkstatt Ol-  Wirtschaft. Themengebiete sind  mit eidg. Fachausweis» (www.ausbilder.ch), weil da auch neue und vor allem   kann sich deshalb kein Weiter-
          ten, was in Gruppen geschieht.  Teamentwicklung, Fortbildun-      positive Erlebnisse prägend wirken.                                bildungsinstitut verschliessen.
          Man erfährt mehr über sich als  gen und Begleitung von Füh-                                                                          Eine Pionierarbeit leistet dies-
          Person und über die eigene Wir-  rungskräften, Gruppendyna-       Theorieverknüpfungen stattfin-    zwar schnell erklärt, aber  bezüglich die Lernwerkstatt Ol-
          kung in Gruppen. Ein schönes  mik, Kommunikation, Konflikte  den werden. Marina Schlosser:  folgt einem komplexen Selbst-  ten, wo in einigen Ausbildungen
          Setup, nicht wahr?               und Selbstmanagement.            «In der Natur werden wir unter-   reflexionsprozess: Es geht da-   und Lehrgängen ebendies fester
                                                                            schiedliche Aufgaben bewältigen  rum zu erkennen, wie Grup-        Bestandteil des Lernprogramms
                Gruppenprozesse              «Wir nutzen gezielt Erleb-     und uns in verschiedenen Rollen  pen funktionieren und welche  ist, wo man im Seminarhotel, im
                produktiv nutzen             nisse, um die individuelle     erleben. Dadurch werden grup-     Auswirkungen die erlebte Situ-   Kloster, auf der Alp, oder auch
          Bei der «Expedition Iglu» geht    Komfortzone zu verlassen»       pendynamische Prozesse und  ation auf den persönlichen Füh-        bei einem Segeltörn in Holland
          es konkret darum, wie man  «Zusammen mit erfahrenen  das eigene Verhalten mit passen-               rungsstil hat. In der Systemi-   oder beim Kameltrekking in Ma-
          Systemische Gruppendynamik  Bergführern bauen wir in der  den theoretischen Modellen ver-           schen Gruppendynamik wird  rokko oder eben auch beim Ig-
          nutzen kann, um Gruppenpro-      Nähe der Sesselbahn-Bergstation  knüpft. Wir nutzen gezielt diese  den Teilnehmenden die Kom-       lubauen Gruppendynamik aktiv
          zesse zu analysieren und pro-    Kerenzerberg nach einer kurzen  Erlebnisse in der Natur, um die  petenz vermittelt, Gruppenpro-     erleben kann. «Bei der Refle-
          duktiv zu nutzen. Aber auch die  Wanderung mehrere Iglus. Je  individuelle Komfortzone zu ver-      zesse zu analysieren und ihre  xion entsteht der Lernerfolg»,
          Erlebnispädagogik spielt hier-   nach Covid-Situation übernach-   lassen, die eigenen Grenzen zu  Kraft produktiv zu nutzen. Das  sagt Marina Schlosser. «Man
          bei eine Rolle. Speziell im Lehr-  ten wir in unserem Iglu-Dorf. So  erweitern und Lern-Prozesse an-  Ziel ist, die eigenen Denkstruk-  muss systematisch, strategisch
          gang «Ausbilder/in mit eidg.  erlebt man Teamgeist und Orga-      zustossen.»                       turen und Wahrnehmungsfil-       und auch zielorientiert denken.
          Fachausweis» werden erlebnis-    nisationsfähigkeit und die eine                                    ter zu erkennen und somit den  In einer heterogenen Gruppe
          pädagogische Seminare durch-     oder  andere  Grenzerfahrung.»             Komplexer               Führungs- und Durchsetzungs-     dies alles zu vereinen und da-
          geführt. «Wir bauen diesmal in  Abendessen und Frühstück gibt        Selbstreflexionsprozess        stil zu verbessern. Das heisst im  bei sich und die eigenen Be-
          der einzigartigen Natur hoch  es in einer nahegelegenen Hütte,  Der Mehrwert, der durch ein  Klartext: Das Erkennen der Ge-          dürfnisse im Blick zu halten, ist
          über dem Walensee unser Iglu-    wo regelmässige Reflexionen und  solches Seminar entsteht ist  setzmässigkeiten von Gruppen,  eine Herausforderung. Auch bei
                                                                                                                                               der Suche nach den geeigneten
                                                                                                                                               Rollen innerhalb der Gruppe.
                                                                                                                                               Und schliesslich erfährt man in
                                                                                                                                               einer allfälligen Grenzerfahrung
                                                                                                                                               auch noch, wie und wo man der
                                                                                                                                               Gruppe und dem Ziel am dien-
                                                                                                                                               lichsten sein kann.» Neue und
                                                                                                                                               vor allem positive Erlebnisse
                                                                                                                                               prägen sich stark ein. Auch im
                                                                                                                                               Unterbewusstsein. «Was  be-
                                                                                                                                               sonders effizient  ist, sind  die
                                                                                                                                               Verknüpfungen,  die man wäh-
                                                                                                                                               rend anspruchsvollen Übungen
                                                                                                                                               macht», so Marina Schlosser
                                                                                                                                               weiter. Sie betont zudem, dass
                                                                                                                                               das erlebte «Abenteuer» nicht
                                                                                                                                               Urlaub bedeute: «Wir machen
                                                                                                                                               alle Teilnehmenden immer da-
                                                                                                                                               rauf aufmerksam, dass sie sich
                                                                                                                                               nach wie vor in einem Ausbil-
                                                                                                                                               dungsmodul befinden und Lern-
                                                                                                                                               ziele erreicht werden sollen.»

                                                                                                                                                                          JoW

                                                                                                                                                 www.lernwerkstatt.ch/iglu


                                                                                                                                                Unter Gruppendynamik ver-
                                                                                                                                                steht man grundsätzlich die
                                                                                                                                                sozialen Prozesse, die sich ge-
                                                                                                                                                setzmässig zwischen Mitglie-
                                                                                                                                                dern von Gruppen abspielen.
                                                                                                                                                Dies gilt  auch für die Grup-
                                                                                                                                                pendynamik im Unternehmen.
                                                                                                                                                Auch der Paradigmenwechsel
                                                                                                                                                spielt eine Rolle. Zum Beispiel,
                                                                                                                                                wenn man eine Handlung voll-
                                                                                                                                                zieht aus der Perspektive einer
                                                                                                                                                oder eines anderen.
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