Page 3 - Lenzburger Woche - KW 12 - 2021
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DIENSTAG, 23. MÄRZ 2021                                                                                                                                      SEITE 3






                                                   FORTSETZUNG

          Was sind die momentanen He-      eine bemerkenswerte Flexibi-     ten und sie durch einen Ein-
          rausforderungen  beim neuen  lität zeigen. Freude bereitet  blick in Ihren Betrieb in der
          Aargauer Lehrplan?               mir auch, dass die Schülerin-    Berufswahl zu unterstützen.
          Der neue Lehrplan beinhaltet  nen und Schüler sich mit der                                           Mit spitzer Feder …
          verschiedene neue Fächer wie  speziellen Situation gut arran-     In den Kantonen Zürich und
          zum  Beispiel  'Medien  und  In-  giert haben und mit ihrem ver-  Basel erhalten die Kultur-
          formatik' ab der 5. Klasse der  antwortungsvollen Verhalten  schaffenden für drei Monate
          Primarschule oder 'Wirtschaft,  den Schulbetrieb unterstüt-       ein vorübergehendes Grund-                        Eine Prise
          Arbeit, Haushalt' an der Ober-   zen. Unser grosses  gemeinsa-    einkommen. Plant der Kanton
          stufe und löst in den Schulen  mes übergeordnetes Ziel ist  Aargau auch ein solches Unter-
          generell einen pädagogischen  und  bleibt,  dass  wir den  Prä-   stützungsprogramm und ist                         Empörung reicht!
          Entwicklungsprozess aus. Die  senzunterricht aufrechterhal-       dies nicht ein zweischneidiges
          Pädagogische Hochschule der  ten können.                          Schwert?
          Fachhochschule Nordwest-                                          Der Kanton Aargau hat für Kul-
          schweiz unterstützt die Lehr-    Wie halten Sie das Coronavirus  turschaffende seit Beginn der       Wir kennen es alle: Seit einem  sie zeigt uns an, wenn unsere
          personen und die Schulen da-     in den Volks-, aber auch Matu-   Pandemie bereits zwei Unter-       Jahr werden wir in den Medien  Werte verletzt werden. Aber ist
          bei mit diversen Weiterbil-      ritäts- und Berufsschulen er-    stützungspakete lanciert. Diese    – sei es nun via Print, online, im  ein Gericht erst einmal versal-
          dungs- und Beratungsangebo-      folgreich in Schach?             bauen auf Ausfallsentschädi-       TV oder auf sämtlichen sozialen  zen, so ist es schlichtweg nicht
          ten.                             Die Massnahmen, die vom Bun-     gungen auf, berechnet nach na-     Kanälen – überschüttet und zu-  mehr essbar. So verhält es sich
                                           desrat, den Gesundheitsbehör-    tionalen  Vorgaben.  Ein  Wech-    gedröhnt mit Meldungen über  auch mit der Empörung.
          Was sind weitere Reformen in  den oder dem Aargauer Re-           sel der Berechnungsform hin        das Coronavirus und die Pan-
          der Aargauer Schullandschaft,  gierungsrat verordnet wer-         zu einem vorübergehenden           demie. Dabei schüren die Me-    Drehen wir die Zeit zwei, vier
          die unmittelbar in Angriff ge-   den, haben immer den Schutz  Grundeinkommen  wie  es  die           dien bewusst Empörung – tag-    Monate zurück und schauen
          nommen werden müssen?            des Schulpersonals sowie der  Kantone Zürich und Basel tem-         täglich und sie hören nicht auf  über den grossen Teich: Die
          Da gibt es vieles zu sagen! Auf  Schülerinnen und Schüler und  porär vorsehen, plant der Aar-        damit. Sie bauen diese gewal-   beste Art von Journalisten, mit
          dieses Schuljahr hin konnten  die Aufrechterhaltung des Prä-      gau wie auch die allermeisten      tige Empörungswelle mit perfi-  dem «Trump-Theater» umzuge-
          an der Volksschule zwei bedeu-   senzunterrichts zum Ziel. Da-    anderen Kantone nicht.             der Logik auf, spalten dabei die  hen, ist meiner Meinung nach
          tende  und  sorgfältig  vorberei-  her sind zum Beispiel das Ein-                                    Menschen und schlagen da-       genau das: kühl recherchieren-
          tete Vorhaben eingeführt wer-    halten der Hygieneregeln und  Wie würden Sie die Kulturland-        raus erst noch Kapital – auch  der, unaufgeregt präsentierter
          den: Der neue Aargauer Lehr-     insbesondere die Maskentrag-     schaft des Aargaus beschrei-       in der Schweiz. Selbst renom-   Journalismus, sachliche Analy-
          plan sowie die neue Ressour-     pflicht ab den 5. Klassen der  ben, respektive wo findet man        mierte Blätter machen bei die-  sen, ausgeruhte Einordnungen.
          cierung, die den Schulen bei  Primarschule sowie für das ge-      die Perlen?                        ser Empörungsökonomie mit.  Ich glaube, dass das letztlich
          der Verwendung der finanziel-    samte  Schulpersonal  beson-     Im  Aargau  bilden die  Klein-     Damit wird bewusst ein Keil in  auch wirkungsvoller ist. Es ist in
          len Mittel mehr Gestaltungs-     ders wichtig. Natürlich hoffe  städte in den Regionen die kul-      unsere Gesellschaft getrieben.  aller Regel viel besser, über ei-
          raum ermöglicht. Zudem wurde  ich, dass wir die Schutzmass-       turellen Ankerpunkte mit einer     Dies hat zur Folge, dass vor al-  nen Aufreger nicht in aufgereg-
          die kantonale Qualitätskont-     nahmen mit der Zeit wieder lo-   lebendigen Kulturszene und         lem Personen und Gruppen an  tem Tonfall zu berichten, son-
          rolle eingeführt, die die externe  ckern können, doch gilt es wei-  einer vielfältigen Kulturland-   den Rändern des politischen  dern die aufregenden Fakten
          Schulevaluation abgelöst hat.    terhin vorsichtig zu sein. Zu-   schaft. In unserem Kanton gibt     Spektrums Empörung weiter  nüchtern zu präsentieren, so
                                           dem planen wir grossflächig  es ausserdem herausragende             anfachen – vorgelebt von sen-   dass der Leser sich möglichst
          Zusätzlich bereiten wir aktuell  freiwillige repetitive Tests an  kulturhistorische Schätze, wie     sationssüchtigen Schreiberlin-  nicht aufregt. Es ist wahrschein-
          im Bereich der Volksschule in  Schulen, um frühzeitig lokale  die zum UNESCO-Welterbe ge-            gen. Oftmals wird ein Thema  lich auch die einzige Chance,
          ausgewählten Gemeinden Pi-       Ausbrüche des Coronavirus zu  hörenden Pfahlbauten im Hall-         okkupiert und seziert, Tä-      ein Publikum zu erreichen, das
          lotprojekte vor zur Deutschför-  erkennen und die damit ver-      wilersee, das Erbe der Römer       ter werden gebrandmarkt und  nicht schon vorempört in die
          derung vor dem Kindergarten.  bundenen Klassenquarantänen  und Habsburger oder die prä-              schliesslich folgt die Androhung  Berichterstattung einsteigt. Alle
          Wie bereits angesprochen wird  oder gar Schulschliessungen  genden Zeugnisse der Indust-             der Apokalypse, wenn nicht so-  anderen werden von der Em-
          derzeit in den Gemeinden auf  möglichst  vermeiden  zu  kön-      riegeschichte. Hinzu kommen        fort etwas getan wird!  Im di-  pörung eher abgeschreckt und
          Anfang 2022 die Ablösung der  nen.                                weit über den Aargau hinaus-       gitalen Zeitalter kann dies je-  können durch Fakten dann
          Schulpflegen durch den Ge-                                        strahlende Institutionen wie       der Einzelne öffentlich tun. Und  auch nicht mehr erreicht wer-
          meinderat vorbereitet. Ebenso  Gerade auch die Berufsbildung  das Stapferhaus in Lenzburg,           nicht mehr nur prominente Per-  den. Dabei wäre das wichtig,
          tritt auf dann gesamtkantonal  leidet arg unter Corona, sprich  das Aargauer Kunsthaus und           sönlichkeiten sind im Faden-    denn viele der Verschwörungs-
          ein neues Lohnsystem für die  Schnuppern,  Lehrabschluss-         natürlich Museum Aargau mit        kreuz öffentlicher Empörung.  theorien lassen sich sachlich
          Lehrpersonen und Schullei-       prüfungen etc. Was unter-        seinen historischen Standor-       Das Anprangern, Diffamieren  widerlegen. Das wäre eine gute
          tungen in Kraft, mit welchem  nimmt der Kanton, damit Ler-        ten. Ich kann nur sagen: eine      und Diskreditieren haben im  Aufgabe für Journalisten. Hin-
          die Wettbewerbsfähigkeit der  nende  und  Lehrabgänger  in  Entdeckungsreise durch unse-             digitalen Zeitalter auch gegen  ter der demonstrativen Emoti-
          Aargauer Löhne wieder deut-      diesem Jahr dieselben Chan-      ren Kanton lohnt sich für Jung     gänzlich Unbekannte mächtig  onalität steckt auch eine ten-
          lich verbessert wird. Und fort-  cen für eine berufliche Zukunft  und Alt!                           an Fahrt aufgenommen.           denzielle Unterschätzung des
          laufend gilt es, die Möglichkei-  haben wie ihre Vorgänger?                                                                          Publikums. Als könnte es nicht
          ten der Digitalisierung in den  Der Kanton Aargau hat be-         Welche persönlichen Ziele ha-      Als  ehrlicher,  loyaler Mensch  selbst, wenn es die Fakten ver-
          Schulen in geeigneter Form zu  reits früh die Auswirkungen  ben Sie sich für Ihr Department          und verantwortungsvolle Jour-   ständlich präsentiert bekommt,
          nutzen.                          der Corona-Pandemie auf die  in diesem Jahr gesetzt?                nalistin mit Berufsstolz ist mir  zu den «richtigen» Urteilen und
                                           Berufsbildung und die berufli-   Aktuell steht in meinem De-        Transparenz und Ethik beim  Empfindungen kommen. Und
          An den Mittelschulen müssen  che Orientierung der Jugendli-       partement wie auch in der Ge-      Schreiben wichtig. Daher emp-   was das Publikum, die Le-
          wir uns auf das grosse demo-     chen erkannt. Wir haben früh  samtverwaltung des Kantons            finde ich diese Empörungswelle  ser betrifft. So müssen sie (ler-
          grafische Wachstum der Schü-     die betroffenen Verbände kon-    Aargau die Unterstützung aller     unangenehmer  als  die epide-   nen),  Informationen  im  digita-
          lerzahlen mit über 30 Prozent  taktiert und gemeinsam Unter-      Betroffenen in der Bewältigung     miologische Welle. Ich wünsche  len Zeitalter richtig einschätzen
          in den kommenden 25 Jahren  stützungsmassnahmen auf die  der Coronakrise im Zentrum.                 mir von Journalisten, gerade in  zu können. Dazu gehört, ver-
          vorbereiten. Dazu sind zwei  Beine gestellt. So sind unter  Im Bereich der Volksschule ist           diesen aufgeregten und aufre-   schiedene Quellen zu nutzen,
          neue Kantonsschulen vorgese-     anderem bei den Gesundheits-  nach den diversen Reformen            genden Zeiten, Nüchternheit.  die eigene Bubble zu sprengen
          hen, eine im Fricktal und eine  und Bewegungsförderungsbe-        und Projekten nun dringend         Es geht dabei gar nicht so sehr  und Aufrufe der Empörung als
          im Aargauer Mittelland.          rufen, der Veranstaltungsbran-   eine Phase der Konsolidierung      um die ewigen und oft elenden  das zu erkennen was sie sind:
                                           che und auch in der Aargauer  angesagt. Und im Bereich der          Fragen von Objektivität oder  Geldmacherei. Es liegt nämlich
          Wie hat bis jetzt die Aargauer  Gastronomie und Hotellerie  Mittelschulen steht dieses Jahr          Neutralität. Und es geht schon  an jedem Einzelnen, die Empö-
          Schullandschaft Corona über-     tolle Praxis-Projekte realisiert  die Diskussion und Festlegung     gar nicht darum, skandalöse,  rungswelle an den Fakten zu
          standen, wie sieht da Ihre Bi-   worden.                          des Standorts sowie der Start      empörende Dinge nicht beim  zerschellen lassen – mit ver-
          lanz aus?                                                         zur Projektierung einer Kan-       Namen zu nennen. Es geht um  nünftigem Denken, einer Por-
          Äusserst positiv. Trotz den wid-  Apropos  Schnuppern:  Auf-      tonsschule im Fricktal im Vor-     emotionale Distanz und eine  tion Selbstreflektion und dem
          rigen und erschwerenden Um-      grund der geltenden Schutz-      dergrund. Diese soll ihren Be-     journalistische Haltung, die den  Bauchgefühl.
          ständen mit vielen einzuhal-     massnahmen sind viele Fir-       trieb im Schuljahr 2029/30 auf-    Menschen im Publikum nicht
          tenden Schutzmassnahmen,  men und Branchen derzeit lei-           nehmen.                            sagt, wie sie sich fühlen sollen,
          Quarantäneanordnungen und  der sehr zurückhaltend  mit                                               sondern ihnen alle Fakten lie-  Herzlichst,
          phasenweise gar Fernunter-       dem Anbieten von Schnupper-                                         fert, damit sie sich eine eigene  Ihre Corinne Remund
          richt,  meistern die Aargauer  lehren und Praktika. Ich richte        Interview: Corinne Remund      Meinung dazu bilden können.  Verlagsredaktorin
          Schulen die Coronapandemie  daher einen starken Appell an                                            Denn Empörung ist ein süsses
          sehr gut. Ein grosser Dank gilt  die Verantwortlichen in den                                         Gift. Die meisten Menschen su-
          allen Lehrpersonen, Schul-       Firmen, den Jugendlichen, die                                       chen sie, um sich an ihr zu be-
          leitungen und Verantwortli-      nun mitten im Berufsfindungs-                                       rauschen. Eine Prise Empörung
          chen vor Ort, die ein ausser-    prozess stehen, trotz Corona-                                       mag ja gut und recht sein, denn
          ordentliches Engagement und  Einschränkungen Hand zu bie-
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