Page 5 - Reinacher Woche - KW 37 - 2020
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DIENSTAG, 8. SEPTEMBER 2020 SEITE 5
Nicht aller Hopfen und Malz verloren
Jahre lang ging es nur aufwärts – jetzt hat Covid-19 den Boom würde diesem Schweizer Recy-
in der Brauereibranche zum Stocken gebracht. Nichtsdesto- clingsystem schaden und hohe
trotz haben sich die Brauereien zum Ziel gesetzt, unter dem Kosten verursachen, ohne einen
neuen Präsidenten des Schweizer Brauerei-Verbandes SBV, zusätzlichen Umweltnutzen zu
CVP-Nationalrat Nicolo Paganini, diese Krise mit viel Kreati- bringen.»
vität zu meistern und künftig noch diversifizierter und digita-
ler aufgestellt zu sein. Nicolo Paganini ist neuer
Präsident
Herr und Frau Schweizer mö- mit finden sich auf der Liste Seit Ende April hat der enga-
gen Bier. Dies zeigt der Po-Kopf- der registrierten Brauereien auf gierte Verband mit dem St. Gal-
Bierkonsum, der sich seit Jah- der einen Seite die grossen Na- ler CVP-Nationalrat Nicolo Pa-
ren zwischen 54 und 58 Liter men der Braubranche und auf ganini einen neuen Präsiden-
eingependelt hat. Dies obwohl, der anderen Seite die Hobby- ten. Als ausgebildeter Biersom-
seit Aufzeichnungsbeginn noch und Kleinstbrauerei aus dem melier hat er grosse Erfahrung
nie so wenig alkoholhaltige Ge- Nachbarsdorf, die wie Pilze aus und Know-how in der Branche
tränke konsumiert wurden. dem Boden schiessen. Diese und stellt so mit seiner eigenen
«Bier kann sowohl seinen Aus- Entwicklung hatte eine grosse Handschrift in einer schwieri-
stoss als auch den Konsum in Vielfalt der unterschiedlichsten gen Zeit die Kontinuität im Ver-
etwa auf gleichem Niveau hal- Biere zur Folge. Neue Bierstile band sicher. Neue Möglichkei-
ten», stellt Marcel Kreber, Di- eroberten den Markt und das ten bietet auch die Digitalisie-
rektor des Schweizer Braue- Image des Bieres hat sich in den rung in der Branche. Sie hat
rei-Verbandes SBV, fest. Aktu- letzten Jahren sehr positiv ver- Bilder: pixabay gerade durch die aktuelle Situ-
ell gibt es in der Schweiz 1156 ändert. «Natürlich haben unser Jetzt heisst es wieder Prost: Das Feierabendbier hat nach wie vor Tradition – ation in den letzten Monaten
Brauereien. Allerdings brauen Verband mit Imagemassnah- auch wenn die Gastronomie noch auf Sparflamme läuft. einen Schub erlebt. Dabei ist
die 57 grössten Brauereien in men wie auch die Brauereien das Internet of Things ein gros-
der Schweiz über 98 Prozent mit ihren hervorragenden Bie- ders verdient gemacht haben, tierten Biersensoriker/in», er- ses Thema, aber auch Online-
des Schweizer Biers. Die rest- ren den Trend verstärkt», freut den Bierorden «Ad Gloriam CE- gänzt Kreber. Diesen Sommer Einkäufe haben während dem
lichen 1100 Brauereien stehen sich Kreber. Momentan sind REVISIAE» – zu Deutsch zu haben 12 Lebensmitteltechno- Covid-19-bedingten Lockdown
somit für zwei Prozent. Anfang bitter-fruchtige India Pale Ales, Ehren des Bieres – verleihen. logen Schwerpunkt Bier – also zugenommen und die Braue-
der 90er-Jahre begann für die aber auch leichte Sommerbiere Heute gehören rund 400 Perso- Bierbrauer – ihre Prüfung abge- reien gezwungen, neue Ver-
Branche mit dem Auslaufen des und alkoholfreie Biere sehr be- nen dem Orden an. schlossen. Dazu haben die jun- triebskanäle zu erschliessen.
Bierkartells ein neues und dy- liebt. gen Berufsleute unter den er- «Die Brauereien dürften künf-
Trotz Corona Lehrabschluss schwerten Umständen eine an- tig diversifizierter und digitaler
im Sack spruchsvolle praktische Prüfung aufgestellt sein und versuchen,
Im Moment stecken die Braue- absolviert. Trotz Corona treten mehrere Standbeine – Detail-
reien Corona-bedingt in einer im August zudem 11 Lernende handel, Gastronomie, Online-
schwierigen Zeit fest, dazu Kre- ihre dreijährige Lehre an. Handel, Heimlieferservice etc.
ber: «Mit dem Lockdown und – aufrecht zu erhalten», so Kre-
dem einhergehenden schock- Der SBV engagiert sich auch auf ber. Er ist überzeugt, dass auch
artigen Wegbrechen des Gas- politischer Ebene. Hier setzt er in Zukunft die Schweiz eine
tronomiekanals haben unsere sich aktuell gegen die Einfüh- grosse Anzahl an offiziell regis-
Brauereien unvermittelt ihre rung eines Pflichtpfandes ein trierten Brauereien aufweisen
Einkünfte verloren. Denn rund – dies im Verbund der gesam- wird: «Die Passion zur Schwei-
40 Prozent des gesamten Bier- ten schweizerischen Getränke- zer Braukultur wird von Bestand
absatzes macht die Gastrono- branche. «Die Schweiz verfügt sein. Qualität, Innovation, Viel-
mie aus. Bei einigen Brauereien über kundenfreundliche und ef- falt, Service und Kommittent
beträgt dieser Anteil sogar 90 fiziente Recyclingsysteme für werden auch in Zukunft ent-
Prozent.» Auch wenn nun der Aluminiumdosen, Glasflaschen scheidend sein, ob eine Braue-
Detailhandelskanal zugelegt und PET-Getränkeflaschen. rei erfolgreich am Markt agiert
hat, vermag dies die erlittenen Diese sind passgenau auf den oder nicht.».
Verluste niemals zu kompensie- Schweizer Getränkemarkt und
ren. Zudem sind alle kulturellen die gesamte Abfallbewirtschaf- Corinne Remund
Jetzt gilt es zu überleben: 2020 wird gemäss SBV-Direktor Marcel Kreber ein Anlässe, Gewerbeausstellungen, tung abgestimmt», argumen-
miserables Jahr für die Brauereien. Konzerte, Festivals bis in den tiert Kreber. «Ein Pflichtpfand
Herbst abgesagt. Nicht einmal
namisches Kapitel. Es war ge- Der SBV hat in den letzten Jah- der Ball rollt regelmässig und
prägt vom Einbruch des Pro- ren auf clevere und attraktive die Zwangspause im Schwei- DAS MACHT DER SBV
Kopf-Konsums von 71 Liter im Art die breite Öffentlichkeit für zer Fussball ist für die Bran-
Jahr 1990 auf 57 Liter im Jahr die reichhaltige Schweizer Bier- che eine grosse Herausforde- Ein «Wohlfühlpaket» für die Mitglieder
2000, einem schrumpfenden kultur gestärkt – beispielsweise rung. Die Gastronomie hat zwar
Markt und daraus folgenden mit dem Swiss Beer Award. Die wieder geöffnet – allerdings nur Rund 80 Bierbrauer schlossen sich 1877 in Olten zum Schwei-
Überkapazitäten und Betriebs- nationale Prämierung von Bie- mit angezogener Handbremse. zerischen Bierbrauerverein – dem Vorläufer des heutigen
schliessungen sowie ausländi- ren verschiedenster Stile, wel- «2020 wird ein miserables Jahr Schweizer Brauerei-Verbandes SBV – zusammen. Dabei woll-
schen Bierkonzerne, die den che von Brauereien in der für die Brauereien und ich hoffe ten sie unter der Initiative von Bierbrauer Feller aus Thun ge-
Schweizer Markt aufmischten. Schweiz oder Liechtenstein ge- von Herzen, dass so viele Braue- meinsam die Branche weiterentwickeln und so die vermehr-
«Mit der liberalen Gesetzge- braut werden, hat die schweize- reien wie möglich diese Krise ten Bierimporte aus Deutschland verhindern. Heute erfüllt der
bung setzte aber auch ein Boom rische Braulandschaft mit ihrer überleben.» SBV die klassischen Verbandsaufgaben: Er vertritt die Inter-
von Neugründungen von Braue- immensen Biervielfalt und Qua- essen seiner Mitglieder gegen aussen, erhebt Statistiken, und
reien ein», so Kreber. Und er er- lität in der breiten Öffentlich- Ein wichtiges Kapitel der SBV- setzt sich für die Aus- und Weiterbildung ein. Ebenso beant-
gänzt: «Wer in der Schweiz Bier keit fest verankert. «Es ist eine Verbandsaufgaben ist die Aus- wortet der engagierte Verband fachtechnische Fragen, nimmt
braut, ist grundsätzlich steuer- sehr wichtige Veranstaltung für und Weiterbildung. Der Ver- die Drehscheibenfunktion zwischen Bund, Kantonen, deren
pflichtig. Eine Ausnahme bildet die Brauszene Schweiz. Die Kri- band ist in der Arbeitsgemein- Behörden und seinen Mitgliedern wahr und pflegt sein Netz-
das Brauen für den Eigenkon- terien für den Erhalt einer Aus- schaft Lebensmitteltechnologen werk mit Anlässen wie beispielsweise «Der Tag des Schwei-
sum, welcher auf 400 Liter pro zeichnung sind streng. Neben vertreten und koordiniert alle zer Bieres» und tauscht sich mit anderen Verbänden, Vereinen,
Jahr begrenzt ist. Wird mehr dem Bestehen einer Labor- brauspezifischen Ausbildungen Organisationen und Institutionen aus. Der SBV engagiert sich
gebraut oder das Bier verkauft, untersuchung und einer Etiket- wie überbetriebliche Kurse und auch politisch und bringt seine Anliegen ein. Ganz nach dem
setzt automatisch die Steuer- tenkontrolle auf Gesetzeskon- Schulunterricht mit Fachleh- Motto «Geht nicht, gibt es nicht» hat sich der SBV zum Ziel ge-
pflicht ein, mit der Konse- formität muss das Bier auch die rern und Ausbildnern. Zusätz- setzt, seinen Mitgliedern ein «Wohlfühlpaket» zu bieten.
quenz, dass die Brauerei – und renommierte Jury sensorisch lich organisiert er jährlich einen
mag sie noch so klein sein – im überzeugen», weiss Kreber. Weiterbildungstag für die Braue- Der Verband zählt 24 Brauereien aus der gesamten Schweiz
Verzeichnis der steuerpflichti- Auch der Bierorden, der unter rei-Angestellten seiner Mitglie- – darunter der grösste Teil KMU mit bis zu 50 Mitarbeitenden.
gen Inlandbrauereien geführt dem Patronat des SBV 1972 ge- der. «Mit GastroSuisse bieten Sie produzieren jährlich je mindestens 200'000 Liter Bier. Rund
wird.» Eine abgeschlossene Be- gründet wurde, fördert die Bier- wir die Ausbildung zum Schwei- 50'000 direkte und indirekte Arbeitsplätze sind mit der Branche
rufsausbildung im Brauwesen kultur nachhaltig. Dabei kön- zer Bier-Sommelier an und mit verbunden. Diese generiert jährlich über eine Milliarde Fran-
als Voraussetzung für die Grün- nen der Verband und seine Mit- der Zürcher Hochschule für an- ken.
dung einer Brauerei schreibt glieder Personen, die sich für gewandte Wissenschaften die
der Gesetzgeber nicht vor. So- die Förderung des Bieres beson- Weiterbildung zum/r akkredi-