Page 8 - Reinacher Woche - KW 37 - 2020
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SEITE 8 DIENSTAG, 8. SEPTEMBER 2020
«Bald ein Freibrief für Biber & Co?»
Die Gegner der Jagdgesetzrevi- Tatsächlich ist es so, dass mit Wenn wir uns einmal die Wild- also nur eine Frage der Zeit, bis
sion kritisieren, dass neu jeder der Gesetzesrevision einige vögel anschauen gibt es tatsäch- Biber, Graureiher und Gänse-
Kanton eigenständig entschei- Wildentenarten zu den ge- lich minime Verbesserungen in säger auf der Abschussliste ste-
den dürfte, wann und wie viele schützten Arten aufgenom- einzelnen Punkten. Beispiels- hen. Das Parlament sagt zwar
Tiere einer regulierbaren Art, men werden, die vorher nicht weise wurde die Schonzeit der im Moment, dass dies auch in
wie z.B. des Wolfes, abgeschos- auf der Liste waren. Die meis- Waldschnepfen um einen Mo- Zukunft nicht vorgesehen ist,
sen werden dürfen. Ist es nicht ten dieser Arten sind bei uns nat verlängert. Dies betrifft je- aber einen solchen Freibrief
sinnvoll die Verantwortung den seltene Wintergäste und Brü- doch nur 4% der jährlich ca. auszustellen ist eine sehr ris-
Kantonen zu übergeben, die ja ten nicht in der Schweiz. In 2000 erlegten Waldschnepfen. kante Sache. Darüber hinaus
sehr unterschiedliche Wildtier- den Jagdstatistiken der letzten Dafür wird das Rebhuhn unter entsteht beim Lesen der Sit-
situationen haben? Jahre wurden daher nur sehr Schutz gestellt, was aber bereits zungsprotokolle der Eindruck,
Dieser Eindruck trügt, denn vereinzelte Exemplare geschos- auf Verordnungsebene so gere- Biber und Luchs seien im letz-
Wildtiere können sich nicht an sen, die Wirkung dieser Neue- gelt ist. Beide Vogelarten profi- ten Moment von der Liste ge-
Kantonsgrenzen halten. Stel- rung ist daher nicht so gross. tieren kaum von den Neuerun- strichen worden, um das Gesetz
len Sie sich folgende Situa- Trotzdem ist sie natürlich zu gen. Gleichzeitig kann der Kan- mehrheitsfähig zu machen und
tion vor: Beispielkanton 1 ist begrüssen. Gleichzeitig gehö- ton auf dem Verordnungsweg später diese sogenannten Kon-
stolz auf seine Wolfspopulation ren die stark bedrohten Feld- jederzeit weitere geschützte fliktarten durch die Hintertüre
und unternimmt alles, um ein Bild: zVg und Schneehasen, die Wald- Tierarten als regulierbar er- auf die Abschussliste zu setzten.
Nebeneinander von Menschen, Kathrin Hochuli, Geschäftsführerin schnepfe, das Schneehuhn und klären, ohne dass die Stimm- Wir können es uns nicht leisten,
Haustieren und Wölfen zu er- BirdLife Aargau der Birkhahn mit dieser Revi- bürgerinnen und Stimmbürger einfach ja zu sagen und auf das
möglichen, aber jedes Mal wenn sion nach wie vor zu den jagd- intervenieren können. Es ist Beste zu hoffen.
ein Wolf die Kantonsgrenze auf so kleinräumiger Ebene re- baren Arten. Es gibt aus Sicht
zum weniger wolfsfreundlichen geln. Es braucht mindestes Na- des Artenschutzes keinen ver-
Nachbarkanton überschreitet tionale Schutz- und Regula- nünftigen Grund, Tierarten die
wird dieser abgeschossen, weil tionsbestimmungen. sowieso schon bedroht sind
Beispielkanton 2 das Tier als durch die Jagd noch zusätzlich
potenzielle Gefahr einschätzt. Beide Lager behaupten, sich für unter Druck zu setzen. Es kann
Die Bemühungen von Beispiel- den Artenschutz einzusetzen. doch nicht sein, dass das revi-
kanton 1 wären komplett sa- Die Befürworter sagen, dies dierte Gesetz diese Tiere nicht
botiert und überdies wäre er gelänge mit der Gesetzesrevi- schützt.
von den negativen Folgen, die sion über die wir nun abstim-
solche massiven Störungen in men, die Gegner sprechen von Sie sprechen beim revidier-
einem Rudel verursachen, di- einer Verschlechterung für den ten Jagdgesetz von einer Alibi-
rekt betroffen. Man kann den Artenschutz. Was stimmt denn übung und Etikettenschwindel,
Schutz bedrohter Tiere nicht nun? warum?
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