Page 6 - Muri Woche - KW 23 - 2021
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                            «Gut gemeint, aber weit über das Ziel hinaus!»




         Sowohl die Trinkwasser- als       ziden) bei der Pestizidverbots-                                   den Belastungen massgeblich  zent gesunken – der Gebrauch
         auch  die  Pestizidverbots-In-    initiative ist auch die Hygiene                                   reduziert. Bestehende punk-       von Herbiziden sogar um 45
         itiative gefährden die regio-     und Lebensmittelsicherheit in                                     tuelle Probleme wurden durch  Prozent. Mit  dem  neuen  Pes-
         nale Produktion und verteu-       der Nahrungsmittelherstellung                                     die Politik bereits erkannt. Das  tizidgesetz, welches das Parla-
         ern regionale Lebensmittel,       nicht mehr gewährleistet.                                         Parlament hat jüngst das wohl  ment im Frühling verabschie-
         die  Importe steigen  und  der                                                                      strengste Pestizidgesetz Euro-    det, wird der Verbrauch zusätz-
         Umwelt ist nicht gedient. Ma-     Was sind Ihre Hauptargumente?                                     pas verabschiedet.                lich abnehmen. Die Risiken von
         tija Nuic, Kampagnenspre-         Die Initiativen sind zu extrem                                                                      Pflanzenschutzmittel müssen
         cher  IG  Zukunft  Pflanzen-      und haben gravierende Auswir-                                     Sie argumentieren, das Verbot  bis 2027 halbiert und es sollen
         schutz und Direktor Verband       kungen. Sie verteuern und ver-                                    von synthetischen Pestiziden  Alternativen zum chemischen
         Schweizer Gemüseproduzen-         knappen das Angebot regiona-                                      kommt einem Innovationsver-       Pflanzenschutz gefördert wer-
         ten VSGP, über die negativen      ler Lebensmittel massiv. KMU,                                     bot gleich. Erklären Sie das!     den.
         Konsequenzen für die gesamte      Mittelstand und sozial benach-                                    Innovationen, etwa im Bereich
         Wirtschaft, über die Wasser-      teiligte Personen bekommen                                        der digitalen Landwirtschaft,  Zum Abschluss kurz und bün-
         qualität in der Schweiz und       die Preissteigerungen beson-                                      können den Einsatz von Pflan-     dig: Wieso soll man am 13. Juni
         das strengste Pestizidgesetz      ders  zu spüren. Kaffee, Bier,                                    zenschutzmitteln reduzieren,  zwei Mal Nein stimmen?
         der Schweiz.                      Schokolade und weitere Kon-                                       bedingen aber Investitionen in  Die Pestizidverbots- und Trink-
                                           sumgüter werden massiv teu-                                 Bild: zVg  Forschung und Entwicklung,  wasser-Initiativen sind kontra-
         Gegen die beiden  extremen  rer oder verschwinden bei der  Matija Nuic, Kampagnensprecher IG        die bei einer Annahme der Ini-    produktiv und gefährlich. Das
         Agrar-Initiativen wehren sich  Annahme der Pestizidverbots-        Zukunft Pflanzenschutz und Direk-  tiativen kaum mehr möglich wä-  Angebot an regionalen Produk-
         die Landwirtschaft, die Wirt-     Initiative.                      tor Verband Schweizer Gemüsepro-  ren. Es besteht die Gefahr, dass  ten würde stark sinken und
         schaft, die Forscher, die Gärt-                                    duzenten VSGP: «Die Initiativen sind   neue und noch unbekannte For-  die Preise massiv steigen. Food
         ner und Landschaftspfleger so-    Haben  denn  diese  beiden  Ag-  kontraproduktiv: Sie verteuern Le-  schungsansätze nicht mehr fi-  Waste und Einkaufstourismus
         wie Konsumentinnen und Kon-       rarinitiativen, die ja unsere  bensmittel, fördern Food Waste und   nanziert  werden.  Technologie-  würden spürbar zunehmen.
         sumenten. Wieso dieser grosse,  Umwelt und Gesundheit schüt-       Einkaufstourismus und verhindern   verbote lösen keine Probleme,  ProduzentInnen, Konsumen-
         breit abgestützte Widerstand?     zen wollen, keinen Mehrwehrt  Innovation beim Pflanzenschutz»     führen aber zu Rückschritt und  tInnen,  Schweizer  Lebensmit-
         Matija Nuic: Die Initiativen be-  für die Umwelt und Trinkwas-                                      Wohlstandsverlust.                telproduzenten und -Verarbei-
         drohen nicht nur die Existenz  ser?                                Hand aufs Herz: Wie sauber  Der Bund setzt als Alternative  ter, Gewerbe, Gastronomie und
         von Bauern, Gemüse-, Früchte-  Die Initiativen sind gut ge-        sind denn unsere Böden und  auf den Aktionsplan Pflanzen-          KMU tragen den Schaden.
         und Zierpflanzenproduzenten.  meint, schiessen  aber weit  unser Trinkwasser wirklich,  schutz. Wie soll das funktionie-
         Sie  verteuern  auch  die  Pro-   übers Ziel hinaus. Unter dem  werden  da  nicht Grenzwerte  ren und wieso stehen sie hinter                              Interview:
         duktion vieler KMU und belas-     Strich schaden sie der Umwelt  überschritten und zu viele Pes-    diesem Vorschlag?                                Corinne Remund
         ten das Portemonnaie der Kon-     sogar, weil sie zu mehr Food  tizide eingesetzt?                  Der Einsatz von Pflanzenschutz-
         sumentinnen und Konsumen-         Waste führen und ökologisch  Grundsätzlich ist die Wasser-        mitteln ist in der konventionel-  www.zukunft-pflanzenschutz.ch
         ten massiv. Durch das Verbot  fragwürdige Importe und Ein-         qualität in der Schweiz sehr gut.  len Produktion in den letzten
         von Desinfektionsmitteln (Bio-    kaufstourismus fördern.          In den letzten Jahrzehnten wur-  zehn Jahren um rund 40 Pro-


                                                       «Ein Scheitern wäre fatal!»



          Stefan Staubli, Präsident des                                                                       heitliche «Abwrackprämie» vor.  und Wälder leiden stark unter
          Muri Energie Forum, erklärt                                                                         Mit dem neuen CO2-Gesetz gibt  dem Klimawandel. Wie die
          wieso es das revidierte CO2-                                                                        es zudem attraktive Leasinglö-   meisten Länder hat sich die
          Gesetz braucht. Für ihn ist es                                                                      sungen, was allen Hausbesitz-    Schweiz mit dem Pariser Klima-
          ein entscheidender Schritt,                                                                         enden nützt, welche die Mittel  abkommen verpflichtet, zum
          damit auch die künftigen Ge-                                                                        für die notwendige Investition  weltweiten Ziel beizutragen, die
          nerationen eine lebenswerte                                                                         nicht aufbringen können. Dank  Klimaerhitzung deutlich  unter
          Zukunft haben.                                                                                      deutlich tieferen Energie- und  2 Grad zu halten. Wie könnten
                                                                                                              Betriebskosten lohnt sich der  wir von grossen Staaten wie der
          Am 13. Juni entscheiden wir an                                                                      Umstieg auf klimafreundliche  USA und China verlangen, dass
          der Urne über das CO2-Gesetz.                                                                       Heizungen auch finanziell.       sie ihre Verpflichtungen einhal-
          Wieso braucht die Schweiz die-                                                                                                       ten, wenn wir selber nichts tun?
          ses Gesetz dringend?                                                                                Was würde ein Nein zum CO2-      Wird das CO2-Gesetz abgelehnt,
          Stefan Staubli: Die Schweiz                                                                         Gesetz für die Schweiz bedeu-    rückt eine Lösung des Klima-
          braucht das CO2-Gesetz, um                                                                          ten?                             problems in weite Ferne und es
          überhaupt etwas in der Hand zu                                                                      Ein Scheitern wäre national fa-  fliessen weiterhin Jahr für Jahr
          haben, um die Folgen des Klima-                                                              Bild: zVg  tal und international ein ver-  8 Milliarden für Öl und Gasim-
          wandels bekämpfen zu können.  Das neue CO2-Gesetz ist die Voraussetzung dafür, dass die Schweiz ihre Kli-  heerendes Signal. Das neue  porte  ins Ausland statt ins lo-
          Die Schweiz wird besonders  maziele erreichen kann                                                  CO2-Gesetz ist die Vorausset-    kale Gewerbe.
          mit den Folgen der Klimaerhit-                                                                      zung dafür, dass die Schweiz
          zung zu kämpfen haben. Daher  werkschaften, der Bauernver-        kaputt geht und ohnehin Inves-    ihre Klimaziele erreichen kann.
          ist es an der Zeit, einen effekti-  band, der TCS und auch die  titionen notwendig sind. Das  Der Schweizer Tourismus, die                Interview: Corinne Remund
          ven und vorausschauenden Kli-    Berggebiete sind sich einig: Wir  Gesetz führt eine national ein-  Landwirtschaft und die Flüsse
          maschutz anzupacken. Das Ge-     müssen jetzt gemeinsam han-
          setz eröffnet gerade auch für  deln und das CO2-Gesetz ist der
          KMU und fürs Gewerbe in länd-    Weg dazu. Wenn wir trödeln be-                       JA zum Klimaschutz am 13. Juni
          lichen Regionen viele Chan-      zahlen wir dafür einen hohen
          cen. Die Vorlage setzt auf Inno-  Preis und müssen unter Druck       Das CO2-Gesetz gleist den Schweizer Weg für den  erneuerbare Energien, Gebäudesanierungen und In-
          vation und Lenkung – statt Ver-  reagieren. Das lässt sich verhin-   Klimaschutz auf. Fast alle Parteien, der Bundes-  novation, schafft es Arbeitsplätze vor Ort und unter-
          bote. Das ist richtig und wichtig  dern, indem wir jetzt die Ärmel   rat, der Bauernverband, der TCS, die Berggebiete  stützt das lokale Gewerbe, statt Jahr für Jahr 8 Mil-
          für die Zukunft unseres Wirt-    umkrempeln und uns mit dem          und grosse Teile der Wirtschaft sind für das CO2-  liarden Franken für Öl- und Gasimporte ins Ausland
          schaftsstandorts.                CO2-Gesetz auf den Weg ma-          Gesetz.                                        zu schicken.
                                           chen Richtung Klimaschutz.
          Die Gegner argumentieren,                                            Das vernünftige und wirtschaftsfreundliche Gesetz  Wer künftig weniger fossile Energie verbraucht, pro-
          dass das CO2-Gesetzt teuer,  Was würden Sie einem Rentner            wird dringend gebraucht, um die Treibhausgase  fitiert dank der Rückverteilung als Privatperson, Fa-
          nutzlos und ungerecht ist. Wie  sagen, der seine Heizung auf-        wirksam zu senken. Die Landwirtschaft, der Touris-  milie oder Firma. Der Klimafonds für klimascho-
          sehen Sie das?                   grund des Gesetzes erneuern         mus und unsere Wälder leiden stark unter dem Kli-  nende Technologien und Innovation hilft auch, un-
          Das Gesetz ist ein solider, fa-  muss und sich diese Investition     mawandel. Mit dem Pariser Klimaabkommen hat  gerechte Folgen des Klimawandels auszugleichen.
          milienfreundlicher und enorm  von bis zu 80'000 Franken nicht        sich deshalb auch die Schweiz dazu verpflichtet, die  So sind Berggebiete, Land- und Forstwirtschaft vom
          breit abgestützter Kompromiss.  leisten kann?                        menschgemachte Klimaerwärmung unter 2 Grad zu  Klimawandel besonders betroffen und werden durch
          Fast alle Parteien, der Bundes-  Bundesrat und Parlament ha-         begrenzen. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn wir  das neue CO2-Gesetz unterstützt. Das Gesetz ist so-
          rat,  über  160  Parlamentarie-  ben mit einer Härtefallklausel      jetzt gemeinsam handeln und uns mit dem CO2-Ge-  zial, fair und bietet grosse Chancen.
          rinnen und Parlamentarier, ge-   genau an solche Fälle gedacht.      setz auf den Weg machen Richtung Klimaschutz.
          wichtige Teile der Schweizer  Klimafreundliche Heizungen             Das Gesetz arbeitet mit Lenken, nicht mit Verbieten.       Weitere Informationen:
          Wirtschaft, zig Organisationen  kommen mit dem Gesetz zum            Durch die Investitionen im Inland, zum Beispiel in         www.klimaschutz-ja.ch
          aus der Zivilgesellschaft, Ge-   Einsatz, wenn die bestehende
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