Page 8 - Rheinfelder Woche - KW 37 - 2020
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                                          «Bald ein Freibrief für Biber & Co?»



          Die Gegner der Jagdgesetzrevi-                                    Tatsächlich ist es so, dass mit  Wenn wir uns einmal die Wild-     also nur eine Frage der Zeit, bis
          sion kritisieren, dass neu jeder                                  der Gesetzesrevision einige  vögel anschauen gibt es tatsäch-      Biber, Graureiher und Gänse-
          Kanton eigenständig entschei-                                     Wildentenarten zu den ge-         lich minime Verbesserungen in  säger auf der Abschussliste ste-
          den dürfte, wann und wie viele                                    schützten Arten aufgenom-         einzelnen  Punkten.  Beispiels-  hen. Das Parlament sagt zwar
          Tiere  einer  regulierbaren  Art,                                 men werden, die vorher nicht  weise wurde die Schonzeit der  im Moment, dass dies auch in
          wie z.B. des Wolfes, abgeschos-                                   auf der Liste waren. Die meis-    Waldschnepfen um einen Mo-       Zukunft nicht vorgesehen ist,
          sen werden dürfen. Ist es nicht                                   ten dieser Arten sind bei uns  nat verlängert. Dies betrifft je-   aber einen solchen Freibrief
          sinnvoll die Verantwortung den                                    seltene Wintergäste und Brü-      doch nur 4% der jährlich ca.  auszustellen ist eine  sehr  ris-
          Kantonen zu übergeben, die ja                                     ten nicht in der Schweiz. In  2000 erlegten Waldschnepfen.  kante Sache. Darüber hinaus
          sehr unterschiedliche Wildtier-                                   den Jagdstatistiken der letzten  Dafür wird das Rebhuhn unter  entsteht beim Lesen der Sit-
          situationen haben?                                                Jahre wurden daher nur sehr  Schutz gestellt, was aber bereits  zungsprotokolle der Eindruck,
          Dieser Eindruck trügt, denn                                       vereinzelte Exemplare geschos-    auf Verordnungsebene so gere-    Biber und Luchs seien im letz-
          Wildtiere können sich nicht an                                    sen, die Wirkung dieser Neue-     gelt ist. Beide Vogelarten profi-  ten Moment von der Liste ge-
          Kantonsgrenzen halten. Stel-                                      rung ist daher nicht so gross.  tieren kaum von den Neuerun-       strichen worden, um das Gesetz
          len  Sie  sich  folgende  Situa-                                  Trotzdem ist sie natürlich zu  gen. Gleichzeitig kann der Kan-     mehrheitsfähig zu machen und
          tion vor: Beispielkanton 1 ist                                    begrüssen. Gleichzeitig gehö-     ton auf dem Verordnungsweg  später diese sogenannten Kon-
          stolz auf seine Wolfspopulation                                   ren die stark bedrohten Feld-  jederzeit weitere geschützte  fliktarten durch die Hintertüre
          und unternimmt alles, um ein                               Bild: zVg  und Schneehasen, die Wald-    Tierarten als regulierbar er-    auf die Abschussliste zu setzten.
          Nebeneinander von Menschen,  Kathrin  Hochuli, Geschäftsführerin   schnepfe, das Schneehuhn und  klären, ohne dass die Stimm-  Wir können es uns nicht leisten,
          Haustieren und Wölfen zu er-     BirdLife Aargau                  der Birkhahn mit dieser Revi-     bürgerinnen und Stimmbürger  einfach ja zu sagen und auf das
          möglichen, aber jedes Mal wenn                                    sion nach wie vor zu den jagd-    intervenieren  können.  Es  ist  Beste zu hoffen.
          ein Wolf die Kantonsgrenze  auf so kleinräumiger Ebene re-        baren Arten. Es gibt aus Sicht
          zum weniger wolfsfreundlichen  geln. Es braucht mindestes Na-     des Artenschutzes keinen ver-
          Nachbarkanton überschreitet  tionale Schutz- und Regula-          nünftigen Grund, Tierarten die
          wird dieser abgeschossen, weil  tionsbestimmungen.                sowieso  schon  bedroht  sind
          Beispielkanton  2  das  Tier  als                                 durch die Jagd noch zusätzlich
          potenzielle Gefahr einschätzt.  Beide Lager behaupten, sich für  unter Druck zu setzen. Es kann
          Die Bemühungen von Beispiel-     den Artenschutz einzusetzen.  doch nicht sein, dass das revi-
          kanton 1 wären komplett sa-      Die Befürworter sagen, dies  dierte Gesetz diese Tiere nicht
          botiert und überdies wäre er  gelänge mit der Gesetzesrevi-       schützt.
          von den negativen Folgen, die  sion über die wir nun abstim-
          solche massiven Störungen in  men, die Gegner sprechen von  Sie sprechen beim revidier-
          einem Rudel verursachen, di-     einer Verschlechterung für den  ten Jagdgesetz von einer Alibi-
          rekt betroffen. Man kann den  Artenschutz. Was stimmt denn  übung und Etikettenschwindel,
          Schutz bedrohter Tiere nicht  nun?                                warum?


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