Page 3 - Zurzacher Woche - KW 50 - 2022
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DIENSTAG, 13. DEZEMBER 2022 FORTSETZUNG INTERVIEW SEITE 3
Denn auch neu zugewanderte ob man gewissen Personen im
Personen benötigen Wohnun- Asylbereich nicht einfach Sach-
gen, benutzen unsere Infra- leistungen und Gutscheine ge-
struktur, fahren Auto, belegen ben möchte, statt ihnen Bargeld
Spitalbetten und beanspru- auszuzahlen. Die Schweiz wird
chen Dienstleistungen sowie damit für Wirtschaftsflüchtlinge
Schulraum für ihre Kinder. Da- um einiges unattraktiver. Die ge-
mit wir dem erhöhten Bedarf setzlichen Grundlagen wären
nachkommen können, müs- vorhanden.
sen wir wiederum neue Perso-
nen aus dem Ausland rekrutie- Führt eine strengere Asylpolitik
ren. Einfach gesagt: Ausländer nicht zu einem Alleingang der
bauen Wohnungen für Auslän- Schweiz?
der, Ausländerinnen pflegen Nein, seit dem 12. Dezember
auch Ausländer usw. Und noch Bilder: zVg 2008 beteiligt sich die Schweiz
etwas: Immer wieder ist zu hö- Die beiden Mitarbeiter Yonas Tesfamariam (links) und Aklilu Weldesilassie Issak im Einsatz auf einer Baustelle, operativ am Schengen/Dublin-
ren, dass Ausländer unsere Al- für die sie selbstständig verantwortlich sind. System. Die Zusammenarbeit
tersvorsorge finanzieren. Das zwischen der Schweiz und den
ist aber zu kurz gedacht. Auch Schweiz Asyl suchen, sind ent- schäftigen. Sie sind solidarisch, Land verlassen. Eine Ausnahme europäischen Staaten im Rah-
Ausländer werden alt und bean- weder Kriegsvertriebene oder schön nach dem Motto: Sozial sind natürlich die Personen, die men der Schengen/Dublin-As-
spruchen eines Tages – zu Recht Migrantinnen und Migranten, ist, wer Arbeit schafft. wirklich an Leib und Leben be- soziierung bringt wirtschaft-
– ebenfalls eine AHV-Rente. Da- die auf der Suche nach einem Doch viele Flüchtlinge haben droht sind. Der Familiennach- liche und finanzielle Vorteile.
mit brauchen wir wieder neue materiell besseren Leben sind. keine Lust zu arbeiten. Ich habe zug muss konsequent so vollzo- Dieses Abkommen schafft die
Einwanderer, um auch die ren- Man spricht in diesem Zusam- da auch eigene Erfahrungen ge- gen werden, dass Personen nur Grenzkontrollen zwischen den
tenberechtigten Ausländer zu fi- menhang oft auch von «Wirt- macht. Ein junger Mann wurde in die Schweiz nachgezogen wer- Vertragsstaaten ab, setzt aber
nanzieren. Und schon sind wir schaftsflüchtlingen». vom Werkhof der Gemeinde auf- den können, wenn sie sich sel- voraus, dass die Aussengrenzen
mitten im Teufelskreis. Dies bei In der Schweiz leben knapp geboten, ist bei uns dann aber ber finanzieren können. Zudem konsequent kontrolliert und ge-
endlichen Ressourcen und be- 50'000 Personen mit einem direkt mit dem Arztzeugnis auf- müssen sich die Integration und schützt werden. Hier muss sich
grenztem Raum. Wegweisungsentscheid. Diese getaucht. In einem anderen Fall eine Arbeit wieder lohnen. Ich der Bundesrat auf europäischer
Wegweisungen muss man end- wurde uns vom kantonalen Mig- beschäftige selber Flüchtlinge Ebene einsetzen. Es kann nicht
Warum soll das ein Problem lich vollziehen. Wir müssen ver- rationsamt mitt- in der Firma. sein, dass die Grenzstaaten die
sein? Die Schweiz hat doch hindern, dass mit einer laschen geteilt, dass ein «Wir müssen verhindern, Das sind enga- Flüchtlinge in den Schengen-
einen hohen Lebensstandard Asylpolitik unsere Solidarität junger Lehrling dass mit einer laschen gierte Personen raum reinlassen und die Flücht-
wegen den vielen Arbeitskräf- ausgenutzt wird, unsere Sozial- trotz Asylstatus Asylpolitik unsere Soli- und diese sind linge dann aufgrund der feh-
ten, die zu uns kommen. werke missbraucht werden und zurück in seine darität ausgenutzt wird, auch tatsächlich lenden Grenzkontrollen ohne
Trotz Zuwanderung ist das BIP die Schweiz zu einem riesigen Heimat reisen unsere Sozialwerke miss- integrationswil- weiteres durch ganz Europa
pro Kopf seit 2010 nicht mehr Flüchtlingslager wird. Unsere möchte. Dies be- braucht werden und die lig. Doch die So- reisen können. Die Kontrollen
wirklich angestiegen. Es lag Sozialwerke wurden ursprüng- gründete er mit Schweiz zu einem rie- zialhilfe ist für an den Aussengrenzen müssen
im Jahr 2020 mit CHF 80'418 lich von Schweizern für Schwei- «zu viel Stress sigen Flüchtlingslager viele Flüchtlinge wieder verstärkt durchgeführt
nur marginal höher als im Jahr zer und von hier arbeitenden und Heimweh». wird.» oder Vorläufig werden, nur so ist eine europäi-
2010 mit CHF 79'502. Einfach Ausländern für hier arbeitende Seinen bereits Aufgenommene sche Flüchtlingspolitik möglich.
gesagt, der Wirtschaftskuchen Ausländer geschaffen und nicht gebuchten Flug setzte er nicht einfach zu attraktiv. Der Me-
wird zwar grösser, muss aber für Menschen, die massenhaft in die Tat um – ich vermute dianlohn in Eritrea liegt um ein Sind Sie für die Kündigung
durch immer mehr und mehr in die Schweiz kommen, ohne wohl auf Druck seiner Angehöri- Mehrfaches tiefer, als die Sozial- des Schengen/Dublin-Abkom-
Menschen geteilt werden. Es arbeiten zu wollen und sich ein gen in Eritrea. Ich kann mir gut hilfe zur Deckung des Grundbe- mens?
ist absehbar, dass die einzelnen besseres Leben erhoffen. vorstellen, dass der junge Mann darfs auszahlt. Hinzu kommen Nein, zurzeit ist das die beste
Portionen kleiner werden, der nun wieder von der Sozialhilfe noch weitere finanzielle Ansprü- Lösung. Die Schweiz profitierte
Wohlstand lässt sich so nicht Sie sprechen hier die Sozial- unterstützt werden muss. Doch che gegenüber dem Steuerzah- in der Vergangenheit stark, weil
halten. Fachkräfte sind in der hilfe an, welche Auswirkungen einige Gegenbeispiele zeigen, ler hinzu. Beispielsweise Kos- wir viele Flüchtlinge auch auf-
Schweiz immer willkommen. hat die Migration auf unsere So- dass es auch anders geht. So be- tenübernahme der Wohnkosten grund des Abkommens in an-
Doch von über 140'000 Perso- zialwerke? schäftigen wir bei uns mehrere und der obligatorischen Kran- dere europäische Staaten zu-
nen, die 2021 in die Schweiz Die Kosten der Sozialhilfe ex- engagierte Flüchtlinge im Be- kenversicherung sowie Integ- rücksenden konnten. Denn
eingewandert sind, sind nur plodieren im Bereich der trieb. Ihre Einsatzbereitschaft rationszulagen. Wir sehen, die gemäss Schengen/Dublin kann
rund 72'000 wegen einer Er- Flüchtlinge. Gestiegen ist die und Lernfreudigkeit sind für Schweizer Sozialwerke sind zu ein Flüchtling nur einen Asyl-
werbstätigkeit in die Schweiz Anzahl der Sozialhilfebezie- das ganze Unternehmen eine attraktiv, das muss man ändern. antrag im ganzen Vertragsraum
gekommen. Der Rest fällt unter henden, die als Flüchtlinge mit Bereicherung. Solche Erfolgsge- Auch kommt es nicht von un- stellen. Wenn festgestellt wird,
den Familiennachzug, ist nicht Asyl oder vorläufig aufgenom- schichten müssen das Ziel der gefähr, dass Flüchtlinge monat- dass eine Person in einem an-
erwerbstätig oder ein Flücht- mene Personen in der Schweiz Sozialhilfe sein. lich Geld ins Ausland an ihre Fa- deren Staat ein Asylgesuch ge-
ling. Und auffallend ist, dass leben, von 44'708 im Jahr 2016 milien senden. In vielen Fällen stellt hat, kann der Flüchtling
auch hier nicht die Personen- auf 71'391 Personen im Jahr Wie kann man diesem Problem lohnt sich die (Teilzeit-) Arbeit in diesen Staat zurückgeschickt
freizügigkeit das Problem ist, 2020. Die Sozialhilfequote im in der Sozialhilfe entgegenwir- nicht, da man unter dem Strich werden. Davon konnten wir bis-
liegt doch der Familiennachzug Flüchtlingsbereich lag im Jahr ken? ein höheres Einkommen in der lang stark profitieren, weil wir
als weitaus grösster Einwande- 2020 bei 84,2 %. Also rund vier Zunächst sollen möglichst wenig Sozialhilfe erzielt. Es fehlt ein wesentlich mehr Asylsuchende
rungsgrund von Nichterwerb- von fünf Flüchtlingen leben von Leute einwandern, welche auf sogenanntes Lohnabstandsge- an andere Mitgliedsländer über-
stätigen bei den Drittstaaten so- der Sozialhilfe. Die Gesamt- die Sozialhilfe angewiesen sind. bot. Die Einführung eines Lohn- stellen konnten als wir von die-
gar noch höher als jener bei den kosten der Sozialhilfe in der Wer nach kurzer Zeit bereits in abstandsgebots ist überfällig. Zu- sen übernehmen mussten.
EU-Angehörigen. Schweiz sind innert 10 Jahren die Sozialhilfe abdriftet, soll das dem müsste man sich überlegen,
um 47 % angestiegen. Während Wo steht die Schweiz in 5 Jah-
Sie fordern ebenfalls eine strik- im Jahr 2010 im Umfang von ren, wenn wir nichts verändern?
tere Umsetzung der Asylpolitik. 1.9 Milliarden Franken Sozial- Man rechnet mit einer Zuwan-
Weshalb? hilfe bezogen wurde, waren es derung von sage und schreibe
Grundsätzlich soll jeder, der in 2020 bereits knapp 2.8 Milliar- 200'000 Personen bis Ende
seinem Land politisch verfolgt den Franken. Flüchtlinge und 2022. Das entspricht der Grösse
und an Leib und Leben bedroht Ausländer bezogen rund 57.4 % vom Kanton Baselstadt. Wenn
wird, bei uns Schutz finden. Ich der gesamten Sozialhilfe. Das das so weiter geht, dann stos-
glaube an die humanitäre Tra- kann es nicht sein. sen wir schon in wenigen Jahren
dition der Schweiz. Doch wir an die Grenzen. Gelingt es uns
müssen aufpassen, dass wir die Aber den Flüchtlingen ist es ja nicht, dass wir bei der Migration
Solidarität der Schweiz nicht nicht erlaubt zu arbeiten. Ist jetzt die Handbremse ziehen,
überstrapazieren. Ihre Auffassung deshalb nicht so werden unsere Sozialwerke
Der klassische Flüchtling im ein wenig unfair? bald ausgehöhlt und die Stras-
Sinne der Asylgesetzgebung Dieser Mythos vom Arbeitsver- sen überlastet sein. Hinzu kom-
und der Asylkonvention ist in bot hält sich hartnäckig, ist aber men ein enormer Mangel auf
seinem Heimatland an Leib und falsch. Den anerkannten Flücht- dem Wohnungsmarkt und ein
Leben bedroht – etwa aufgrund lingen, vorläufig Aufgenom- erhöhter Lohndruck in der Tief-
seiner politischen Anschauung menen und Personen mit dem lohnbranche. Kurz, wenn wir so
oder seiner ethnischen Zugehö- Schutzstatus S ist es erlaubt, weitermachen, ist die Schweiz in
rigkeit. Allerdings ist dieser Ty- einer Erwerbstätigkeit nachzu- fünf Jahren voll.
pus sehr selten geworden. Die gehen. Viele Unternehmer sind Bild: © BFS 2022
meisten Menschen, die in der- auch bereit, Flüchtlinge zu be- Die Schweizer Bevölkerung explodiert. Das BIP pro Kopf hingegen stagniert. Interview: Corinne Remund